Am vergangenen Wochenende war ich erneut bei einer strafrechtlichen Fortbildungsveranstaltung, bei der am Rande über den Kachelmannprozess diskutiert wurde. Wenn ich im Freundes- und Bekanntenkreis danach gefragt werde, wie das Verfahren nach meiner Meinung endet, bin ich so unschlüssig wie selten. Einerseits sind nach allem, was in der Presse kolportiert wird, so dermassen viele Zweifel aufgekommen, wohl insbesondere nach der Einvernahme eines Gutachters als Zeugen, den die Verteidigung benannt hatte. Bei Zweifeln an der Schuld, auch wenn sie nicht besonders groß sind, muss ein Gericht freisprechen. Nun bin ich schon lange genug im Geschäft, um zu wissen, daß Gerichte auch bei vielen Zweifeln eben nicht freisprechen. Das hängt sehr stark von der Persönlichkeit des die Kammer dominierenden Richters ab, also ob er ergebnisoffen oder voreingenommen festgelegt ist. Ich kenne die Richter in Mannheim nicht, aber schon die Ereignisse um die Anordnung der Untersuchungshaft lassen eher die Tendenz der Voreingenommenheit aufkommen. Aber wie gesagt: Das beruht nicht auf eigenen Erkenntnissen meinerseits.
Die Diskussion führte jedoch zu einem eindeutigen Ergebnis mit Argumenten, die ich bislang nicht in meine eigenen Überlegungen einbezogen hatte: Die wesentlichen Zeugen und Gutachter sind in dem Prozeß schon gehört worden. Vor allem die angeblich Geschädigte und die sie untersuchenden Gutachter. Wenn nicht alles täuscht, werden jetzt noch eine Reihe von Zeuginnen vernommen, die ihre Geschichten ja zum Teil schon an so seriöse Presseorgane wie die „Bunte“ verkauft haben. Wenn diese vermeintlich für das Kerngeschehen unwichtigen Zeuginnen und Zeugen noch in einer unüberschaubaren Anzahl von Hauptverhandlungstagen vernommen werden, dann spricht viel dafür, daß das Gericht von der Schuld Kachelmanns überzeugt ist. Denn ansonsten könnte es diese Vernehmungen kurz fassen oder sogar ausfallen lassen. Von Bedeutung sind diese Zeuginnen dann nur noch für die Frage der Strafhöhe und für die kann (wenn man von der Schuld überzeugt ist) wichtig sein, ob er zum Beispiel bei der Beendigung von Beziehungen zu Gewalt neigt.
Ich würde dieses Ergebnis zwar wegen der Zweifelstheorie für falsch halten, aber auch Gerichte sollen ja mal Fehler machen.
Zum Glück gibt es ja noch die Revision. Wenn das Gericht nicht bei der Urteilsverkündung wieder eine Inhaftierung vornehmen wird, kann die Verteidigung in aller Ruhe nach Verfahrensfehlern des Gerichts suchen. Ich wage die Prognose, dass sich da der eine oder andere finden wird.