In der Regel werden Strafsachen –außer bei Jugendlichen- dort angeklagt, wo die Straftat begangen worden sein soll. Das führt dazu, dass man als Strafverteidiger auch mal etwas rumkommt. Ich mag das ja. Abgesehen von der Reise, von neuen Eindrücken und neuen Städten, bei denen man bei vielen nie auf die Idee gekommen wäre, sie jemals zu besuchen, sind es auch und besonders die Eindrücke von den jeweiligen Richterinnen und Richtern, die spannend sind. Es ist schon erstaunlich, wie verschiedene Typen von RichterInnen an verschiedensten Orten mit gleichen Sachverhalten umgehen. Klar, auch an nur einem einzigen Gericht gibt es sowohl den Typ Richter des „Gutmütigen“ und den des „Cholerikers“. Der eine stellt ein Verfahren ein, bei dem der andere drei Jahre Knast geben würde und gibt.
Aber räumliche Unterschiede machen eine Menge aus. Ein Drogeneinfuhrdelikt wird beispielsweise in Kleve einerseits und Passau andererseits so ungleich bestraft, dass man denken müsste, es seien verschiedene Gesetze am Start. Sind es aber nicht.
Ganz allgemein kann ich aus meiner Reiseerfahrung auch eine Menge Klischees über die Bevölkerung in den Richtern wiederfinden, auch wenn diese vielleicht gar nicht aus der jeweiligen Region stammen. Im Rheinland sind die Richter oft gut gelaunt und lustig. In Ostwestfalen schlecht gelaunt. In Norddeutschland knurrig, aber offen. In Baden-Württemberg arg akribisch. In Bayern wenig nachgiebig. Im Osten sehr oft sehr freundlich, fast schon kollegial.
Insgesamt bin ich schon ganz froh, im Ruhrgebiet zu arbeiten. Nicht, weil es hier besonders einfach wäre mit den Richtern. Hier gibt es letztlich auch alle Typen. Aber man sieht wegen der Nähe der Städte zueinander fast jeden Tag ein anderes Gericht, fast jeden Tag auch neue Gesichter und kann sich immer wieder auf neue Verfahrensstile einstellen. Auf dem Land hat man vermutlich hauptsächlich mit einer Richterin/einem Richter zu tun. Das mag gut sein, wenn man mit ihm klar kommt. Ist die Stimmung aber vergiftet, dann ist man vermutlich nahe an einer Depression. Ganz abgesehen davon, dass man auch bei einem guten Verhältnis zwischen Anwalt und Richter bereit sein muss, für den Mandanten Anträge zu stellen, die unangenehm sind oder ein Verfahren mal so zu führen, dass es den Unmut des Gerichts herbeiführt. Die guten Richterinnen und Richter sehen das sportlich, die schlechten nehmen so etwas persönlich und lassen es den Anwalt lange spüren.
All das ist menschlich. Irren übrigens auch.