Neulich habe ich einen Revisionsauftrag bekommen. Es war eine Strafsache gegen einen Jugendlichen. Während Erwachsene in kleineren bis mittleren Straftaten immer zwei Rechtsmittel haben, also erst in die Berufung und danach noch in die Revision gehen können, haben Jugendliche nur eine weitere Instanz. Vorgeblich aus Beschleunigungsgründen können sie entweder eine Berufung zum Landgericht wählen oder eine Revision zum Oberlandesgericht, aber danach nichts mehr.
Man muss bei jeder Sache genau hinschauen, was im Fall taktisch besser geeignet ist. Im Schnitt wähle ich häufiger die Revision. Bei einer Revision gibt es meistens keine neue Hauptverhandlung, stattdessen wird das Urteil auf Verfahrensfehler geprüft. Und zwar (einfach gesprochen) nur auf solche, die ich in der Begründung vorgetragen habe. Ein Urteil kann noch so verfahrensfehlerhaft sein – wenn der Verteidiger das nicht rügt, wird es nicht geprüft.
In unserer Sache habe ich aber einen schicken Verfahrensfehler gefunden. Es war so, daß der jugendliche Angeklagte ohne Verteidiger in die Verhandlung ging. Nur sein Vater war bei ihm. Allerdings, so ergab es sich aus dem Sitzungsprotokoll, hat der Richter zwar dem Angeklagten das „letzte Wort“ erteilt, nicht aber auch dem Vater. Nach überwiegender Auffassung muss aber auch der Erziehungsberechtigte diese Möglichkeit erhalten. Unter anderem das habe ich gerügt und ich denke, es wird zur Aufhebung dieses Urteils kommen.
Nun war ich in anderer Sache wieder bei diesem Richter. Diesmal verteidigte ich aber schon in der ersten Instanz. Die Verhandlung nahm ihren Lauf. Hinten saßen Vater Mandant und Mutter Mandant. Der Staatsanwalt plädierte, danach war ich dran. Danach war Zeit für das „letzte Wort“. Der Mandant erklärte sich. Und nun, man denkt an meine frühere Revisionsrüge, wurde auch noch das Wort an die Eltern gegeben. Und -zu meiner Freude- sagen die auch was. Dies wurde auch noch ins Protokoll geschrieben.
Warum ich mich freue? Der Mandant war inzwischen volljährig geworden. Ergo hat er keine Erziehungsberechtigen mehr. Ergo haben diese keinen Anspruch auf ein letztes Wort nach dem letzten Wort. Ergo hatte nicht der Angeklagte das letzte Wort, sondern jemand anderes, dem es nicht zusteht. Auch das ist ein glasklarer Verfahrensfehler, der bei einer Revision zur Aufhebung führen wird. Auch wenn diese Aktion genau das Gegenteil bezwecken sollte…
Nur der Vollständigkeit halber: Wir werden trotzdem nicht in die Revision gehen, obwohl wir sie aufgrund des Fehlers gewinnen würden, sondern das Urteil gar nicht anfechten. Aus taktischen Gründen ist uns hier ein Verfahrensabschluss lieber, aber das „warum“ zu erklären würde an dieser Stelle zu weit führen.
Merke: Niemals den selben Fehler zweimal machen. Lieber den Fehler ein wenig variieren 😉