Vor ein paar Monaten wurde der Mandant zu einer 5-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Inclusive U-Haft hat er davon noch nicht ganz ein Jahr abgesessen. Ihm wird nun vorgeworfen, die Zeit der Inhaftierung für neue Straftaten genutzt zu haben, indem er von innen andere draußen für ziemlich krumme Geschäfte gelenkt haben soll. So soll er ein eigenes kleines Büro mit einem illegalen Telefon in der Zelle geführt haben. So weit, so gut.
Man kommt ihm auf die Schliche, ermittelt (per Telefon- und Haftraumüberwachung – die JVA wußte Bescheid) und macht dann was? Genau, man erlässt einen Haftbefehl gegen ihn. Wegen Fluchtgefahr.
Das macht ja mal so richtig Sinn. Juristisch nennt man so etwas „Überhaft“. Das Problem ist nur, dass dem Mandanten durch den Status als U-Haftgefangener bestimmte Privilegien (ein Hohn, dieses Wort in dem Zusammenhang) entgehen. So gibt es Kontaktverbote, weniger Besuch von Verwandten pro Monat, weniger Arbeitsmöglichkeiten (also legale) und so fort. Mal ganz abgesehen von den Nebenbeschlüssen zur U-Haft, die in diesem Fall regelrecht Isolationshaftcharakter haben.
Nun mag es ja sein, dass es einen dringenden Tatverdacht gegen den Mandanten gibt. Aber wo bitte ist denn die Fluchtgefahr? Kein Zutrauen mehr in die eigenen Knäste? In den Gerichtsentscheidungen zur Fluchtgefahr bei Strafgefangenen heisst es, der Strafgefangene könne ja jederzeit durch ein Gnadengesuch, eine vorzeitige Haftentlassung oder sonstwie freikommen und dann sei er weg. Genausogut könnte natürlich eine Bande schwerbewaffneter Linksabbiegen-Schilder die Freilassung des Inhaftierten erpressen. So ein Unsinn!
Ich habe jedenfalls Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mir zurückgeschrieben, ob ich die Beschwerde ernst meine. Es sei allgemein anerkannt, dass es nur auf den jeweiligen Einzelfall ankäme und danach Fluchtgefahr schon wegen der Strafdrohung vorläge. Ja, ich meine die Beschwerde ernst. Nur dadurch, dass man ständig eine falsche Rechtsprechung wiederholt und aufrechterhält, wird sie nicht richtiger. Ich habe das Gericht gebeten, mir mitzuteilen, ob es tatsächlich eine Möglichkeit gäbe, dass der Inhaftierte -etwa durch bestimmte Anträge, die ich nicht kennen würde- vorzeitig frei kommen könnte. Denn wenn es solche gäbe, würde ich sie gerne stellen, allein, ich sehe keine Chance. Daher meine Bitte an das Gericht um Fortbildung in diesem Einzelfall. Im Übrigen würde ich den Eindruck nicht los, dass (auch) in diesem Fall mal wieder die U-Haft dazu mißbraucht wird, eine vorzeitige Bestrafung zu sein. Mal sehen, was da zurückkommt.
Bei meinem nächsten Besuch in der JVA werde ich jedenfalls ganz vorsichtig fahren, damit ich nicht versehentlich flüchtende Gefangene über den Haufen fahre.