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Vertrete den Betrüger und werde dadurch selber einer

By 28. September 2011Allgemein

In einer rund 15 Kilogramm schweren Ermittlungsakte habe ich eine Randfigur verteidigt. Es ging in der Hauptsache um manipulierte Verkehrsunfälle. Gegen meinen Mandanten sind die Verfahren inzwischen aus verschiedensten Gründen eingestellt worden, aber wie gesagt – nur eine Randfigur.

Gegen die Hauptverdächtigen, also Halter, Fahrer und Sachverständige wurde indes Anklage erhoben. Spannend war jedoch ein Aktenvermerk der Staatsanwältin als Begleitverfügung zur Anklageschrift. Da heisst es, dass man noch prüfen müsse, ob gegen den Rechtsanwalt eines der Hauptverdächtigen auch ermittelt werden müsse. Denn dieser Anwalt habe den Fahrzeughalter immer wieder gegenüber den Versicherungen vertreten. Es würde daher(!) naheliegen, dass er in die gefälschten Gutachten und in die Unfallfiktionen eingeweiht sei. Außerdem käme hinzu, dass er mit einem der Gutachter finanziell verflochten sei, da er diesem einen Kredit gewährt habe.

Das letzte Argument mag für eine gewisse Beziehung sprechen und macht den Fall auch irgendwie besonders. Vielleicht wusste er auch was davon, keine Ahnung. Aber ansonsten klang es in dem Vermerk so, dass allein der Umstand der Vertretung eines vermeintlichen Unfall-Fakers schon für einen Anfangsverdacht ausreichen soll.

Bedenkt man, dass Versicherungen sich heutzutage häufiger als früher vor ihren Zahlungsverpflichtungen drücken, indem sie einen vermeintlich fingierten Verkehrsunfall behaupten, mit teilweise fadenscheinigen Behauptungen und durchaus auch manchmal von den einen Unfall aufnehmenden Polizeibeamten angestachelt, dann muss man sich fragen, ab wann man sich als Anwalt selber in einen Anfangsverdacht begibt. Auch wenn ein Mandant ein drittes oder viertes Mal mit einem Unfallregulierungswunsch kommt – meinen Mandanten glaube ich zunächst einmal von Berufs wegen alles. Betrüger oder Gehilfe eines Betrügers wäre ich trotzdem dann, wenn ich als Anwalt „billigend in Kauf nähme“, dass eine Versicherung getäuscht würde. Es also riechen könnte. Ein bösartiger Staatsanwalt könnte schnell auf einen solchen Gedanken kommen, gerade bei Anwälten mit zahlreichen Unfallregulierungen. Gefällt mir nicht.

Aber vielleicht wäre es auch klüger, Sachverständigen erstmal keinen Kredit zu gewähren 🙂