Unbekannte brechen des Nachts in einen Schrebergarten ein. Geklaut werden unter anderem Getränke, einige Kilo gefrorenes Fleisch und ein Fahrrad. Von dem Täter oder den Tätern keine Spur.
Wochen später steht einer der Bestohlenen trinkend an einer Trinkhalle, als gerade sein Fahrrad vorbeifährt. Er erkennt es uns spricht den Fahrradfahrer an, der daraufhin flugs das Weite sucht, wohlgemerkt zu Fuß. Das Fahrrad hinterlässt er an der Trinkhalle. Im Prinzip eine win-win-Situation.
Der an der Trinkhalle trinkende glückliche Wiederfinder seines Fahrradds alarmiert indes die Polizei. Den Täter kann er fragmentarisch mit Alter und „südländisch“ beschreiben. Er kenne ihn vom Sehen, er wohne in der xy-Straße, was einer Hochhaussiedlung entspricht. Mit diesen Informationen ermittelt die Polizei doch tatsächlich einen Verdächtigen: Meinen Mandanten. Den frage ich zuerst, was er denn als Schweinefleischverächter mit dem ganzen geklauten Schweinefleisch angestellt hat, aber davon will er nichts wissen. Er hat damit nichts zu tun und ist vor allem nicht der auf dem Fahrrad gewesen. „Südländisch“ ist auch das einzige, was in etwa nach der Beschreibung auf ihn zutraf, wenn man solch einen Allgemeinplatz überhaupt gelten lassen will. Weder die Größe noch die Straße stimmte. Sein Pech: Er wurde auf einer Wahllichtbildvorlage „identifiziert“. Das reichte der Staatsanwaltschaft und sie musste anklagen.
Vor Gericht schweigt der -übrigens auch nicht vorbestrafte- Mandant. In der ersten Sitzung erkennen ihn sowohl der Fahrradeigentümer als auch der Trinkhallenchef wieder. „Ja, das ist er. Wir haben zehn Minuten diskutiert“ sagt der eine Zeuge und auch der andere kann sich gut erinnern: „Ja, das ist er. Auch wenn er nach Sekunden das Fahrrad fallen ließ und wegrannte„. Beweisanträge und eine zweite Hauptverhandlung mussten her – im Wesentlichen das selbe Spiel und es folgte eine überraschende Verurteilung. Mutig, wie ich finde, nur aufgrund dieser vagen Lichtbildvorlage und trotz der widersprüchlichen Beschreibungen. Mal ganz davon abgesehen, dass der Umstand, auf dem Fahrrad gesessen zu haben, mit dem Einbruch im Schrebergarten nicht viel zu tun haben muss. Aber dennoch: Es setzte eine Verurteilung wegen „Einbruchdiebstahl oder Hehlerei oder Unterschlagung“, also eine umfangreiche Wahlfeststellung.
Nun, wir führten die Revision und das erfolgreich, denn das Urteil wurde wegen „substanzieller Mängel“ aufgehoben und vor allem, weil die Lichtbildvorlage hier ohne weiteres kaum den Beweis der Täterschaft erbringen kann. Jetzt wird demnächst eine weitere Verhandlung stattfinden und diesmal hoffentlich die Logik siegen.