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Der Fall Leberkäse

By 7. Dezember 2011Allgemein

Es ereignete sich in der JVA. Der hungrige Mandant ist bester Häftlingsfreund des religiös fastenden Mithäftlings. Dieser bietet ihm im Sinne eines Sankt Martin in der Fastenzeit sein Essen an. Nachdem der hungrige Mandant die eigene Ration aufgefuttert hat, eilt er flugs zu dem religiösen Häftling, um seinen Nachschlag einzufordern. Dort wird er jedoch von einem anderen Häftling ausgebremst. „Lass das, Du fette Sau, der sieht schon so schlecht aus und soll den Leberkäse selber essen“ hieß es da. „Selber fette Sau“ schallt es zurück und es entwickelt sich ein Streit. Am Ende steht der hungrige Mandant ohne Leberkäse da, verlässt den Raum und schlägt wütend die Tür hinter sich zu. Dann öffnet er sie einen Spalt und wirft dem Ausbremser in derben und dem Blog nicht würdigen Worten vor, wieso der Ausbremser eigentlich einsitzt („Du alter K……“). Dieses Outing lässt den Ausbremser innerlich kochen, er springt auf und jagt nun den hungrigen Mandanten. Den wiederum verlässt nun aber der Mut. Kurz bevor ihn der erste Faustschlag trifft, schließt er von außen die Tür, wobei leider der Arm des Ausbremsers eingeklemmt wird.

Dieser stellt nun Strafantrag und wir landen vor dem Amtsgericht. Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Beleidigung („K…“) wird nicht mit angeklagt. Im Vorfeld musste ich mich vom Gericht mehrfach schriftlich fragen lassen, ob wir wirklich Zeugen benötigen. Ich antwortete, daß wir die im Falle einer Einstellung nicht bräuchten, sonst aber schon, denn der Gegner hat die Angelegenheit leicht dramatisiert dargestellt. Ein Angriff mit der Faust sei ihm fremd gewesen. Er wollte mit dem Mandanten zu den Beamten gehen, um dort alles zu klären. Das wiederum konnte kein anderer der Mitesser bestätigen.

Auch zu Beginn der Verhandlung hieß es „Herr Wings, wir müssen reden. Sie wollen doch nicht etwa auf einen Freispruch hinaus. Wie kriegen wir die Kuh vom Eis? Minderschwerer Fall – 3 Monate ohne Bewährung?“

Na ja, ich wollte nicht so recht. Verwies darauf, daß der Mandant angegriffen worden sei und wenn er die Tür nicht zugehalten hätte, die Faust eines anderen im Gesicht gespürt hätte. Das braucht er meiner Meinung nach nicht zu dulden, Beleidigung zuvor hin oder her. Und plötzlich redete der Richter auf die Staatsanwältin ein, die sich strikt einer Einstellung widersetzte. Bei Straftaten in der Haft käme eine Einstellung nicht in Betracht. Ich entgegnete nur, daß eine Einstellung aber sinnvoll wäre, weil keine Straftat vorliegen würde. Der Richter wollte tatsächlich unbedingt die Kuh vom Eis haben. Warum auch immer. Bei mir biss er auf Granit und bei der Staatsanwältin auch.

Und so vernahmen wir alle Zeugen, bis auf einen alles Mitgefangene. Alle bis auf das angebliche Opfer bestätigten unsere Version und somit wurde nach 2 durchaus amüsanten Stunden der Druck auf die Staatsanwältin erhöht. Letztlich gab diese nach und stimmte der Einstellung zu. Tatsächlich wäre in diesem Stadium nur noch der Freispruch wahrscheinlich gewesen, aber aus Gründen war uns die Einstellung als Instrument, das das Verfahren endgültig beendet und nicht von einem wildgewordenen Staatsanwalt mit der Berufung angefochten wird, lieber.

Im Knast spricht man seit dem Vorfall von „dem Fall Leberkäse“.