Der Bundespräsident ist schon gut drauf dieser Tage. Etliche Jura-Examenskandidaten dürften sich in ihren mündlichen Prüfungen darauf einstellen, die Strafbarkeit des Bundespräsidenten (und dessen Verfolgbarkeit!) herunter rattern zu müssen. War bislang allein eine mögliche Vorteilsannahme (§ 331 StGB) in der Diskussion, kommt nun das nächste Verdachtsmoment auf den Tisch. Spiegel online und andere berichten über ein Telefonat von Wulff mit Kai Diekmann, dem Chefredakteur der Bild-Zeitung, in dem Wulff versucht haben soll, die Veröffentlichung von Details in der Bild zu verhindern. Dabei soll er auf der Mailbox (wie blöd von ihm) die Drohung mit einer Strafanzeige gegen Diekmann hinterlassen haben.
Wenn man mal in juristischen Entscheidungssammlung nach „Drohung mit Strafanzeige“ sucht, findet man etliche Verfahren gegen Rechtsanwälte. Diesen wird Nötigung oder gar Erpressung vorgeworfen, wenn der jeweilige Gegner des Mandanten zur Zahlung aufgefordert werde und für den Fall der Nichtzahlung eine Strafanzeige oder ein Strafantrag in Aussicht gestellt werde. Relativ ähnlich verhält es sich in dem Fall von Wulff. Es könnte also eine versuchte Nötigung vorliegen.
Denn der Tatbestand -Drohung mit einem empfindlichen Übel- liegt ziemlich eindeutig vor. Wulff habe mit der Strafanzeige gedroht und das etwaige Strafverfahren aufgrund seiner Anzeige wäre ein empfindliches Übel. Übrigens auch dann, wenn man unterstellt, dass die Bild in ihren Recherchemethoden selber kein Kind von Traurigkeit ist und der Mut der Staatsanwaltschaft, gegen die Springer-Presse zu ermitteln, eher im unteren Bereich angesiedelt sein dürfte. Die entscheidende Frage ist aber, ob die Wulffsche Drohung auch rechtswidrig ist, also „die Drohung im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck“ verhältnismäßig ist. Die Frage kann man sicherlich mit jeweiligen Argumenten in beide Richtungen vertretbar beantworten und mich dünkt, welche Antwort die zuständige Staatsanwaltschaft wohl finden würde. Meine Antwort wäre eine andere: Ich meine, dass Verwerflichkeit, ergo Rechtswidrigkeit vorliegt, denn die Einleitung eines Strafverfahrens (wegen was überhaupt?) hätte mit der zulässigen Berichterstattung aus dem Leben einer massiv prominenten Person durchaus wenig zu tun, zumal die Fakten, über die berichtet wurden, Wulff wiederum in den Ruch eines Gesetzesverstoßes bringen. Hinzu kommt, dass der versuchte Eingriff in die Pressefreiheit durch Ausnutzung einer Machtposition als Bundespräsident dem ganzen einen weiteren unschönen Geschmack gibt. Insgesamt neige ich daher eher zu der Meinung, es würde eine versuchte, rechtswidrige Nötigung vorliegen – wenn es zutrifft, was die Medien heute so berichten.
Ein Verfahren dürfte es allerdings wohl kaum geben. Gegen Rechtsanwälte kann man Nötigungsverfahren gerade noch einleiten. Gegen Bundespräsidenten wird man solange Argumente suchen, die eine Verfahrenseinleitung verhindern.