In 99,995% aller Fälle erkläre ich neuen Mandanten (die alten wissen es schon), dass sie sich zu einem Strafvorwurf bitte, bitte nicht äußern sollen. Also vor allem nicht gegenüber der Polizei. Gegenüber dem eigenen Anwalt darf man sich natürlich äußern. Viele verstehen das – manche wundern sich. Weil sie ja unschuldig sind und da ja nichts passieren kann. Denkste. Ist schon viel drüber geschrieben und gebloggt worden, deshalb nur der lapidare Hinweis darauf: Was einmal gesagt oder nur falsch vom Polizisten aufgenommen oder interpretiert wurde, ist in der Welt und kann nicht rückgängig gemacht werden. Und Polizisten verstehen durchaus mal etwas anders, als man es gemeint hat – gerade dann, wenn sie den Mandanten für den Schuldigen halten.
Und so sage ich, dass ich diesen Ratschlag zu schweigen immer gebe – egal ob beim vermeintlichen Falschparker oder beim vermeintlichen Völkermörder. Wobei mir immer wieder auffällt, dass gerade die Falschpark-Fälle (oder besser die generell aus dem Straßenverkehr) genau die sind, bei denen sich die Leute am meisten darüber ärgern sollten, dass sie nicht gleich zum Anwalt gerannt sind, sondern der Polizei bei der Erstbefragung schön Rede und Antwort gestanden haben. Klassisches Beispiel: Es gibt den Vorwurf einer Unfallflucht. Beim Ausparken auf einem Parkplatz soll ein anderes Auto angefahren worden sein und der Fahrer/die Fahrerin habe sich aus dem Staub gemacht. Ein aufmerksamer Parkplatzbürger hat aber das Nummernschild notiert und ruft die Polizei. Diese fährt dann zum Halter und fragt ihn (gerne auch mal die Schweigerechts-Belehrung vergessend) danach, ob er/sie gerade mit diesem Auto unterwegs gewesen sei. „Ja, war ich, aber ich habe nichts von einem Unfall mitbekommen“. Das ist eine häufige Antwort und sie ist aus Verteidigersicht nicht besonders schlau..
Hätte man geschwiegen, dann wäre ein Verfahren wegen Unfallflucht ohne weiteres einzustellen. Denn wer gefahren ist, kann nicht ermittelt werden, wenn der Halter schweigt. Und das darf er, da er ja verdächtig ist. Schweigen ist also Gold, denn egal, was vorher passiert ist – die Staatsanwaltschaft kann es kaum ermitteln (es sei denn, der Parklplatzbürger kann eine fotografische Beschreibung des vermeintlichen Täters präsentieren).
Redet man allerdings, dann wird es zumindest schwierig. Denn dann steht fest, dass es einen Unfall gegeben hat, wer ihn verursacht hat und wer sich aus dem Staub gemacht hat. Für die strafrechtliche Schuld muss man nun nur noch nachweisen, dass der Fahrer/die Fahrerin den Unfall auch bemerkt hat. Und dafür werden windelweiche Indizien, wie insbesondere die Aussage des Parkplatzbürgers verwendet. War der Anstoss laut? Hat der Fahrer nach seinen Beobachtung den Unfall bemerkt oder nicht? Stoppte das Fahrzeug kurz? Daraus lässt sich dann alles und jedes zusammenreimen. Mit der Gefahr, dass man sich trotzdem schuldig gemacht hat, obwohl man meint, nichts bemerkt zu haben. Alles schon passiert.
Reden ist daher im Sinne des Sprichworts noch nicht mal Silber. Und daher gilt nicht nur in der Politik: Einfach mal…