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Tri-tra-trullala

By 8. Juni 2012Allgemein

Endlich mal wieder eine lustige Verhandlung. Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Genau genommen hätte ich auch mit der Verhandlung nicht gerechnet, aber am Vorabend gegen 22 Uhr stand auf einmal ein Kollege vor der Tür und bat mich, diesen Termin für ihn zu übernehmen. Angeblich wegen einer Terminskollision. Wollen wir es mal glauben…

Er wies mich schon auf gewisse Merkwürdigkeiten der handelnden Personen hin. So sei die Belastungszeugin völlig wirr und man könne sie mutmaßlich ganz gut in Widersprüche verwickeln. Der Mandant wäre auch nicht ganz ohne. Er bestreitet, aber es sei besser, dass er nicht redet. Tatvorwurf war eine Beleidigung per SMS und eine Bedrohung vor der Haustür.

Es ging auch gleich gut los. Zunächst stellte ich mich dem Mandanten vor und bat ihn, ab sofort nichts mehr zu sagen. Ich wollte von ihm nur noch wissen, was die Zeugin wohl sagen werde. „Ich hoffe, die Wahrheit.“ Nun ja. Das mit dem Schweigen nahm der Mandant dann etwas zu ernst. Denn zur Person muss man ja was sagen. Name und Alter ging noch. Beim Beruf („was mit Konzerten“) wurde es schwieriger. Und bei der Frage „wieviel Kinder“ antwortete er „keine“. „In der letzten Verhandlung hatten sie noch zwei“  hielt die Richterin entgegen. „Mein Anwalt spricht für mich„, was mich etwas verwunderte. „Was weiß denn ich, wieviel Kinder Du hast“, raunte ich ihn leise an und befahl: „Antworten!“. Das Herumdrucksen habe ich nicht so ganz verstanden, aber egal. Danach schwieg er.

Zunächst wurde eine Polizistin vernommen, die den Text der SMS sich hat vorhalten lassen. Abfotografiert oder abgeschrieben hat sie nichts. Auch nicht auf den Absender geachtet. „Irgendwas mit Schlampe„. Das ist mal eine Basis für eine Verurteilung. Dann aber kam das vermeintliche Opfer. Selbstbewusstes Auftreten und ich hatte noch die Worte des Kollegen im Ohr. Reden sollte ich sie lassen. Und das wurde echt gut: „Herr X. ist unschuldig. Ich habe ihn falsch verdächtigt. Die SMS habe ich mir selbst geschrieben. Und er hat auch nicht gedroht.“ Bier und Chips waren leider nicht vorhanden, dennoch lehnte ich mich halbentspannt zurück und schaute in die garstigen Blicke von Richterin und Staatsanwalt. Die glaubten ihr kein Wort und insistierten relativ hilflos nach dem Grund der Kehrtwende. Es gab aber auch eine Antwort: „Damals, als ich ihn wegen Körperverletzung angezeigt habe, hat er viel zu wenig bekommen. Dafür wollte ich mich rächen. Jetzt ist mir das egal. Ich erledige das jetzt selber. Ohne Polizei. Ohne Gericht.“  Die Stimmung wurde aufgeheizt, weil die Richterin noch immer nicht glauben wollte. Sie schaute zum Mandanten und sagte: „Ich glaube, dass Sie die Zeugin hier massiv unter Druck gesetzt haben.“ Das war mir dann zuviel des guten und ich bat um Unterbrechung für das Formulieren des Befangenheitsantrags. „Gibt’s nicht. Ich bin nicht befangen. Den können sie dann schreiben, wenn wir fertig sind und Ihnen das Ergebnis nicht gefällt.“ – „Kann ich nicht. Ich muss den jetzt schreiben. Rechtsprechung und so.“ – „Nein, ich bin icht befangen. Wir machen weiter.“ Und so ging es weiter hin und her. Es ging mir auch gar nicht darum, wirklich wegen Befangenheit abzulehnen, sondern -und das gelang- das Gefühl dafür zu schaffen, dass es nicht der böse Mandant sein muss, sondern vielleicht von Anfang an die böse Zeugin, die aus Eifersuchts- oder welchen Gründen auch immer wirklich eine Falschverdächtigung platziert hat. Wie auch immer. Ich beruhigte mich irgendwann, als klar war, dass das Gericht auch nicht mehr verurteilen wollte.

Dann hatte noch der Staatsanwalt seinen Auftritt. „Ich will noch den Polizisten Y hören. Der war ja auch beim Einsatz.“ Auf meine Frage, was der denn sagen sollte: „Weiß ich doch auch nicht.“ Großer Beweisantrag.

Schließlich einigten wir uns darauf, dass es zwar so gewesen sein könnte, wie die Zeugin damals gesagt hat. Aber es könnte genau so gewesen sein, wie die Zeugin heute gesagt hat. Fazit: Freispruch.

Für mich waren es 90 ganz gut bezahlte Minuten des Kasperletheaters. Mehr davon!