Wenn das Gericht (gemeint sind die Richter, nicht das Gebäude oder die Institution) herein kommt, steht man auf. Beziehungsweise wird es erwartet, dass man aufsteht. Irgendwie ist das ein seltsam anmutender Ritus, der da immer wieder stattfindet. Mir scheint, dass manche Richter dieses Aufstehen der anderen vor ihnen auch regelrecht genießen. Manch anderen Richtern scheint es dagegen unangenehm. Dann hört man schon aus dem Beratungszimmer „Bleiben Sie doch bitte sitzen“, bevor man auch nur ein Gesicht gesehen hat. Neulich hatte ich für einen befreundeten Lehrer vor einer Schulklasse ein bißchen was zum Thema „Gewalt rund um den Fußball“ erzählt. Zum ersten Mal seit ich-sag-nicht-wievielen Jahren war ich mal wieder in einer Schulklasse und auch dort stand man beim Eintritt des Lehrers auf und wartete brav ab, bis das Begrüßungsritual abgearbeitet war. Kannte ich so auch nicht aus meiner eigenen Schulzeit. Beides -Aufstehen vor dem Lehrer und vor den Richtern- soll Autorität symbolisieren. Und man darf sicherlich sowohl der Meinung sein, dass solch eine Symbolik nicht mehr zeitgemäß ist als auch, dass eine Notwendigkeit dafür besteht. Ich bin Anhänger der ersteren Meinung.
Ein Kollege auf einem Strafrechtsseminar zeigte sich kreativ unwillig, vor Richtern aufzustehen. „Ich buckel doch nicht vor denen; ich bleibe einfach stehen, bis die reinkommen, dann muss ich vor denen nicht aufstehen.“ Ist aber auch nicht das Wahre – ich habe das einmal ausprobiert und bekam prompt Rückenschmerzen vom langen Stehen (die Schulzeit ist ja auch schon lange vorbei).
Dank eines Blogbeitrages im Lawblog des Kollegen Vetter und eines älteren Beitrages des Kollegen Siebers habe ich nun gelernt, was ich bislang gar nicht wusste: Es ist sogar förmlich geregelt, dass man vor dem Richter aufstehen muss. Bislang ging ich davon aus, dass es sich um einen dieser altertümlichen, nicht mehr zeitgemäßen, aber wie üblich in der Justiz immer noch angewandten Brauch handelt, der sich trotzdem nicht im Gesetz wiederfindet. Genau wie die dusselige Rechtsprechung einiger verknöcherter Gerichte, ein Anwalt gelte als nicht anwesend, wenn er keine Krawatte im Gerichtssaal trägt (so gesehen habe ich schon einige Verfahren gewonnen, ohne da zu sein). Auch die Krawattentragepflicht steht in keinem Gesetz. Das Aufstehen vor dem hohen Gericht ist indes geregelt, nämlich in Nr. 124 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren. Das ist zwar auch kein Gesetz im eigentlichen Sinne, weil es kein Parlament, sondern eine Behörde erlassen hat, aber irgendwie schon eine Norm. Ich muss also aufstehen. Ich kann aber auch sitzen bleiben und zwar in allen anderen Stadien des Prozesses (mit Ausnahmen), vor allem in diesen häufigen Situationen nach kurzen Pausen. Bloglesen bildet nachweislich. Muss ich nur mal das Gelernte auch anwenden.
Schönes Bundesligastartwochenende!