Ein Fall aus Bayern, für den das Wort Skandal zu milde ist und bei der die Geisteshaltung der handelnden Justizverantwortlichen mindestens bedenklich ist.
Was ist passiert: Laut eines Berichts aus der Mainpost wurde ein Verteidigerkollege aus Würzburg vor dem dortigen Amtsgericht wegen übler Nachrede angeklagt und zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen (hier: 3000€) verurteilt. Er hatte in einer Verhandlung, in der er vor dem Landgericht verteidigte, gewagt, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu kritisieren. Er warf dem Richter, der diesen Durchsuchungsbeschluss erlassen hatte, vor, „keine eigenständige Prüfung vorgenommen“ und damit letztlich gegen die Verfassung gehandelt zu haben. Laut Pressebericht reichte diese Aussage, um die Landgerichtspräsidentin zu einem Strafantrag zu bringen wegen übler Nachrede (§ 186 StGB). Hintergrund des Satzes des Kollegen war der häufig anzutreffende Umstand, dass man den Eindruck haben kann, die Anträge der Staatsanwaltschaft auf bestimmte Ermittlungshandlungen, die wiederum wegen der Schwere ihres Eingriffs der richterlichen Genehmigung bedürfen, würden einfach so durchgewunken, ohne eine wirkliche Abwägung nach vorherigem Aktenstudium vorgenommen zu haben. Bei weit über 1000 Anträgen, teilweise vielleicht sogar mehreren tausend pro Jahr pro ErmittlungsrichterIn mag es nicht verwundern, wenn man als RichterIn einfach durchwinkt (warum eigentlich nicht als Automatismus einfach ablehnen?), aber gesetzeskonform wäre und ist es nicht. Schon gar nicht mit der Verfassung.
Dieses rügte der Kollege also und laut Pressebericht in einer Verhandlung, die ohnehin „angespannt“ war. Es ging angeblich um die Durchsuchung von Anwaltskanzleien, weil der Verdacht bestanden habe, die Co-Verteidiger seien mit Geld aus Straftaten bezahlt worden. Die im Gerichtsverfahren geäußerte Kritik an diesem Vorgehen wird von der Justiz sogleich mit einem Strafverfahren gegen den Kritiker beantwortet. Na bravo.
Bemerkenswerterweise hat die Richterin, die den laut Pressebericht übrigens „als besonnen geltenden“ Kollegen verurteilte, tatsächlich eingeräumt, dass es oftmals gar nicht anders möglich sei, als Ermittlungsbeschlüsse oberflächlich zu bescheiden, weil die Personalressourcen so knapp seien. Wenn das Verfassungsgericht hier eine eingehende Prüfung fordere (nochmal: weil diese Eingriffe besonders schwer für die Betroffenen sind!), dann sei das fernab der Realität. Meines Erachtens hat die Richterin sich damit aber in deutlichen Widerspruch zu ihrer Verurteilung gesetzt, denn sie bestätigt ja letztlich gerade die Kritik des Verteidigers, verurteilt ihn aber dennoch. Ein Unding. Auch wenn Presseberichte natürlich mit Vorsicht zu genießen sind.
Und dennoch ist dieses Vorgehen nicht hinzunehmen. Der Kollege hat die Unterstützung der Berufsverbände und ging in Berufung. Ich gehe fest davon aus, dass dieses Urteil keinen Bestand haben kann und wird. Aber wessen Geistes Kind die bayerische Justiz (man vergleiche nur den Fall Stephan Lucas aus Augsburg) ist, das ist nun wirklich bedenklich. Seit jeher ist anerkannt, dass „im Kampf ums Recht“ vor Gericht eine deutliche Sprache gesprochen werden darf (so u.a. das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung). Es muss möglich und erlaubt und somit vor Strafverfolgung geschützt sein, richterliche Handlungen in angemessener, sachlicher Form zu kritisieren. Im Gegenteil: Es ist die Pflicht des Verteidigers, richterliche Handlungen zu kritisieren, an deren Rechtmäßigkeit er Zweifel hat. Dass sich die Gerichte nun mit solchen Mitteln gegen in der Wortwahl ganz sicher berechtigte Kritik zur Wehr setzt, zeigt nur, wie schwach die handelnden Personen sind und wie wenig Argumente ihnen zur Verfügung stehen. Aber das Signal an die VerteidigerInnen ist deutlich: „Passt auf, was ihr in unseren Sälen sagt. Kritik an unseren Entscheidungen werden wir einschneidend verfolgen. Und wir entscheiden selber darüber, was Ihr sagen dürft und was nicht.“
Man darf sich im Kampf um Gerechtigkeit nicht den Mund verbieten lassen. Nun gilt es, auch gegen solche Auswüchse der Justiz zu kämpfen.
Auch andere Blogs berichten, wie etwa die Kollegen Melchior, Vetter, Siebers, Hoenig oder Burhoff