Mandant X kommt mit einem Schreiben seiner Prozessgegnerin. Diese ist anwaltlich nicht vertreten und hat einen Vollstreckungsbescheid gegen eine Frau X auf Zahlung eines Kaufpreises erwirkt. Das Ding ist längst rechtskräftig. Jetzt verlangt sie die Umschreibung dieses Vollstreckungsbescheids (was so wertvoll ist wie ein zivilrechtliches Urteil) auf Herrn X. Denn Frau X gäbe es gar nicht. Herr X habe sie, die Gegnerin betrogen und sich als Frau X ausgegeben. Deshalb müsse der Vollstreckungsbescheid auf Herrn X lauten.
Sie begründet ihre These von dem „Betrüger Herrn X“ vor allem damit, dass dieser ja schon vorbestraft sei. In dem Verfahren (es folgt das genaue Aktenzeichen und die exakte Staatsanwaltschaft) sei Herr X schon zu 6 Monaten auf Bewährung wegen Betruges verurteilt worden. Auch die Schadenhöhe aus jenem Verfahren war der Dame bekannt. Auch diese teilte sie mit.
Nicht schlecht. Denn weitestgehend stimmt diese Behauptung. Es gab das Verfahren, es gab das Urteil, allein die Schadenhöhe war nicht ganz korrekt und dem Verfahren lagen noch andere Taten zugrunde.
DIe Kardinalfrage lautet: Woher weiss die Dame das? Es gibt (noch) keine Strafanzeige gegen Herrn X, die Sache ist auch noch relativ frisch. Außerdem wohnen X und die Dame viele hundert Kilometer voneinander entfernt in verschiedenen Bundesländern. X ging mit seiner Verurteilung nie hausieren und beide kennen sich auch gar nicht (es geht um ein typisches anonymes ebay-Geschäft). Hier kommt aber auch schon die Antwort auf die Frage: Die Dame ist Strafrichterin. Das hat sie der Mandantin mit erhobenem Zeigefinger per Email mitgeteilt, außerdem lässt sich dies durch einfaches Googlen feststellen. Daher liegt nach meiner bescheidenen kriminalistischen Erfahrung der Schluß nahe, dass sich hier jemand zur Verfolgung einer privaten Fehde an datenschutzrechtlich relevanten Daten aus dem Vorstrafenregister bedient hat oder sich hat bedienen lassen. Man kann sich auch eine Unterhaltung in der Gerichtskantine vorstellen („Ich hab da was mit ebay“ – „Warte, wie heisst derjenige, ich schau mal nach“). Ob das so sinnvoll ist, diese Daten, woher sie auch stammen, privat zu verwenden, sei mal dahingestellt. Wie dem auch sei, ich frag mal beim Datenschutzbeauftragten am örtlichen Gericht nach, was da los ist. Vielleicht übersehe ich ja auch eine banal-legale Möglichkeit, als „Privatperson“ an diese Daten zu kommen.