Meine Spucke ist mir heilig. Und ich möchte gerne selber darüber bestimmen, wer mit ihr in Berührung kommt oder wer ihre Zusammensetzung analysieren darf. Dabei sind LKA-Beamte eher weniger auf meiner diesbezüglichen Wunschliste.
Als der BGH vor ein paar Tagen eine vieldiskutierte Entscheidung (BGH 3 StR 117/12) zur Verwendung von gewonnenem DNA-Material im Rahmen von Massengentests und deren Verwendung zu Lasten von Verwandten der „freiwilligen“ Tester traf (hier ein Blogbeitrag über die Entscheidung), fühlte ich mich an meinen eigenen Test erinnert.
Anlass für diesen Test war eine Vergewaltigungsserie im Umkreis der Ruhr-Universität Bochum. Zwischen 1994 und 2002 wurden dort viele Frauen Opfer eines einzigen Täters. Anhand des DNA-Spurenbildes konnte festgestellt werden, dass es sich jeweils um ein und den selben Täter handelt. Soweit mir bekannt ist, ist dieser Täter allerdings bis heute nicht identifiziert worden. Wie die Polizei selbst einräumt, sind in dieser Ermittlungsangelegenheit viele Fragen ungeklärt geblieben.
Etwa um die Jahrtausendwende herum entschloss sich die Polizei dann für einen Massengentest mit einem relativ weiten Täterprofil. So wurden nahezu alle jungen Männer, die im Umfeld der Ruhr-Universität (sowie in Sprockhövel, da dort von dieser Person weitere Taten verübt wurden) gelebt haben, zu einem Test eingeladen. Wie mir der damalige Leiter der Ermittlungskommission auf Nachfrage mitteilte, wurde dieser Massentest nicht zuletzt wegen des politischen Drucks des Innenministeriums NRW angeordnet. Einen großen Erkenntnisgewinn hat man sich nach Jahren vergeblicher Ermittlungsarbeit anscheinend nicht wirklich versprochen. Die Taten waren einerseits jedoch zu schlimm, andererseits war das öffentliche Interesse und somit der Druck auf die Polizei so groß, dass sie nun auf dieses Mittel zurückgriffen.
Nun, so viel Verständnis ich für den Druck des individuellen Ermittlers habe und so gerne auch ich den Täter überführt sehen wollte: An dem Test wollte ich nicht mitmachen. Ich finde auch, dass es der Probe meiner DNA nicht bedurft hätte. Ich war schließlich ein ganz anderer Typ als der vermeintliche Täter, wie er auf den Phantombildern auftauchte und für bestimmte Tatzeiten konnte ich sogar (Geburtstagsfeiern etc.) ein „Alibi“ nachweisen. Aber das reichte nicht, um um den Test herumzukommen. Der Ermittlungsrichter ordnete an, dass meine Argumente nicht reichten. Auch die Beschwerdeinstanz beim Landgericht schickte mich schließlich zur Speichelabgabe. Letzteres war ein klein wenig unangenehm, da am Tag, als der Beschluss des Landgerichts bei mir eintrudelte, meine von Natur aus neugierige Mutter zu Besuch war und den Brief mit dem Beginn „In dem Ermittungsverfahren gegen Thomas Wings wegen Vergewaltigung (…)“ auf dem Wohnzimmertisch vorfand. Letztlich beugte ich mich und begab mich zur Polizei. In dem freundlichen Gespräch dort wurde eben sehr deutlich, dass man sich eigentlich keine Hoffnung mehr machte, den Täter durch diese Testreihe zu überführen. Dennoch müsse man – Anordnung von oben.
So schlummert nun auch mein DNA-Profil in den Archiven des LKA. Möglicherweise, denn die Löschung für den Fall, dass man nicht der Täter ist, wird zugesichert. Allerdings kann ich das nicht kontrollieren und bin dieser Behörde gegenüber ein klein wenig mißtrauisch. Nun wird man sagen können: Ist ja nicht so schlimm. Es galt, ein widerwärtiges Verbrechen aufzuklären und die Abgabe von Spucke ist dagegen doch nichts. Ja, stimmt. Wenn denn dieser Test zur Aufklärung etwas beigetragen hätte und nicht nur ein blindwütiger Ermittlungsschuss gewesen wäre. So kann ich nur froh sein, Nichtraucher zu sein. Dann komme ich nicht in die Versuchung, meine Kippe auf die Straße vor die Bankfilliale zu schmeissen, die kurz danach ausgeraubt wird und wo die Polizei die erste heisse Spur gefunden hat, nämlich einen auf der Strasse liegenden Zigarettenstummel. Dann nämlich hiesse es: Beweisen Sie mal das Gegenteil.