So kritisch ich gegenüber der Behörde „Polizei“ auch bin – das Highlight meines Referendariats war eine Nacht bei der Polizei. Genauer gesagt als Begleiter in einem Streifenwagen, eine ganze Nachtschicht lang. Damals gab es solche tollen Dinge noch, ob das heute noch so ist, weiß ich gar nicht. Diese Nacht ist nun schon eine kleine Ewigkeit her und dennoch kann ich mich noch an viele Details erinnern. Obwohl ich im Gegensatz zu meinen KollegInnen Pech hatte und eine Sonntag Nacht erwischte, war eine Menge los.
Damals war der Streifendienst bei der Polizei eher maskulin geprägt. Weibliche Beamtinnen sah man nur selten, was wohl auch erklärte, dass im Aufenthaltsraum RTL-Softpornos in Dauerschleife liefen. Nun ja. Aber dort mussten wir uns nur selten aufhalten, es gab viel zu tun. Gleich bei einem der ersten Einsätze machten „meine“ Beamten auf dicke Hose. Das Blaulicht wurde angeschaltet und mit 150 ging es quer durch die Stadt. Geil. Ein Mitarbeiter eines Securitydienstes hatte einen Notruf abgesetzt, weil er wiederum von zwei Personen, die sich als Polizisten ausgewiesen hätten, kontrolliert wurde. Waren aber keine. Und da kennt die Staatsmacht keinen Humor – auf ging es zur wilden Verfolgungsjagd. Mehrere Wagen machten sich auf dem Weg, zwischendurch wurde per Funk der jeweilige Standort übermittelt. Unser Wagen verließ seinen Bezirk und bewegte sich auf unbekanntes Terrain. Unbekannt? Vielleicht den Polizisten, aber da der Referendar sich sein Studium mit Taxifahren finanziert hatte, kannte ich mich bestens aus und lotste die Jungs zu dem Täter. Wir haben gewonnen und waren die ersten, die den Wagen gestellt hatten. Zur Belohnung bremsten wir den Wagen quer aus – man sprang aus dem Auto, ich natürlich auch. Ich lief zu dem „falschen Polizisten“, weil ich dachte, dieser wird jetzt befragt. Allerdings wurde ich angeschrien und schaute in Pistolenläufe „meiner Beamten“, so dass ich besser aus dem Weg ging. Das war alles recht aufregend. Die Verwaltungsarbeit übernahmen dann die inzwischen lokal zuständigen Polizisten, wir waren raus.
Und so ging es weiter, quer durch die Stadt. Ein paar harmlose Milieu-Kontrollen, Alkohol am Steuer usw. Und ab und zu immer wieder was lustiges. So kam während einer Pause im Softpornowarteraum auf der Wache ein Volltrunkener, der seinen Wagenschlüssel abholen wollte. Er war wohl am Vortag angehalten worden und musste seinen Wagen am Straßenrand abstellen sowie den Schlüssel abgeben. Nun holte er ihn sich. Rappelvoll. Man musste jedoch den Schlüssel aushändigen gegen das Versprechen, dass der gute Mann nicht selber fährt. „Latürnich fahr ich nich“. So sind wir mit dem Streifenwagen zackig zum Abstellort und haben uns im Gebüsch versteckt. Erinnerte irgendwie an eine Asterixgeschichte, zumal es zu regnen begann. Nach etwa 10 Minuten wurde es uns zu blöd. Und so kam einer der Beamten auf die Idee, zur Gefahrenabwehr einfach die Luft aus den Reifen zu lassen. „So kommt er nicht weg. Gute Idee, oder?“ Ich bejahte.
Schon recht früh morgens dann ein Notruf wegen häuslicher Gewalt. Zwei Wagen wurden herausgeschickt und wir allesamt rein in die Wohnung. Dort saß ein zerknirschter (mittelalter) Ehemann im Bademantel am Küchentisch. Im Wohnzimmer zeterte seine durchaus hysterische Gattin. Eher selten anzutreffen bei häuslicher Gewalt, dass wie hier der männliche Beteiligte um Hilfe ruft. Was denn das Problem war, wollten die Polizisten wissen. Er schwieg. Sie schrie: „Er hat sich im Wohnzimmer Pornofilme angeschaut und dann unter der Dusche (zensiert, FSK 18).“ Rückfrage der Beamten an den schweigenden Gatten: „Stimmt das?“ – „Ja.“ Meine Beamten hielten sich die Bäuche vor Lachen, gingen ins Wohnzimmer und setzten sich aufs Sofa. „Wollen wir doch mal gucken, ob das verbotene Filme sind.“ Fernbedienung genommen, bequem gemacht und auf play gedrückt. Es waren aber nur RTL-Softpornos. „Das sind ja nur RTL-Softpornos. Dann gehen wir wieder. Hier gibt es nichts zu veranlassen.“ Gab es dann aber doch, man hat ihm ob seiner dauerkreischenden Frau geraten, doch bis in die Morgenstunden ausgiebig spazieren zu gehen in der Hoffnung, dass sie sich wieder beruhigt.
Insgesamt war das eine sehr spannende Nachtschicht. Schade, dass es heute für verdiente Strafverteidiger keine Möglichkeit gibt, nochmal eine Schicht zu begleiten. Ich würde sofort zugreifen.