Eigentlich ein alter Hut und doch jedes Mal wieder auf’s Neue lästig. Der massenhafte Umgang der ErmittlungsrichterInnen mit Haftbefehlen. Die Polizei ermittelt zunächst mehr oder weniger ausgiebig und formuliert in einem Zwischenvermerk, warum sie meint, die Person X sei der Täter einer bestimmten Tat. Ein Staatsanwalt bekommt die Sache auf den Tisch und wenn man Glück hat, liest er sich die Ermittlungen von A bis Z durch, um dann eine eigene Entscheidung zu treffen, ob nach dem Ermittlungsstand ein Untersuchungshaftbefehl zu erlassen ist. So sollte es die Regel sein. Ob es wirklich die Regel ist? Dann fertigt der Staatsanwalt/die Staatsanwältin nach ihrer Überzeugung einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Gerne wird dieser Antrag auch mal mit einem „Haftbefehlsentwurf“ versehen. Das ist ein besonderer Service für den Ermittlungsrichter, der nun nach eigenem Studium der kompletten Akte die Entscheidung treffen muss, ob ein Haftbefehl wirklich angezeigt ist und auch sein muss. Jedenfalls sollte es die Regel sein, dass die Ermittlungsrichter sich vollständig vom Akteninhalt informieren. Auch dann, wenn die Akte mehrere 1000 Seiten stark sein sollte. Denn immerhin geht es um nichts weniger, als einem aus Sicht der Polizei mutmaßlichen Täter die Freiheit zu nehmen, ohne dass es zuvor zu einer Verhandlung über Schuld und Unschuld kommt. Im Prinzip entscheidet die Aktenlage über Freiheit oder Eingesperrtsein.
Ob Ermittlungsrichter wirklich immer alles von A bis Z lesen? Wenn sie es wirklich täten, könnten sie möglicherweise nicht in der gebotenen Eile entscheiden. Und vielleicht auch nicht noch ihrem weiteren Job als „normaler“ Richter nachkommen. Gewisse Zweifel, ob nicht ein gewisses übermäßiges Vertrauen in die Arbeit der Verfolger besteht, dürften gegeben sein. Mir stößt immer wieder dieser sogenannte „Haftbefehlsentwurf“ auf. Er verleitet ja geradezu zum Abschreiben, Unterschreiben und Stempeln. Der Gedanke liegt nahe, demnächst auch mit der Anklageschrift gleich einen Urteilsentwurf mit zu übersenden. Das würde vieles einfacher machen.
Gerade habe ich es wieder mit so einer Haftsache zu tun, in dem der Haftbefehl, den der Richter nach dem Entwurf gefertigt hat, schon auf das erste Draufschauen wenig haltbar erscheint. Es wird ein Sachverhalt geschildert, der schon nach den Rollen der mutmaßlich Beteiligten sich so nicht ereignet haben kann (freilich sich theoretisch anders strafbar ereignet haben könnte). Begründet wird die Überzeugung des Ermittlungsrichters von dem dringenden Tatverdacht mit „Zeugenaussagen und Ergebnissen der Telefonüberwachung“. Welche Aussagen und wie diese gewichtet werden? Fehlanzeige. Es bleibt pauschal. Und wird eigentlich noch schlimmer, wenn bei der Frage einer Fluchtgefahr schlimm spekuliert wird.
Aber trotzdem ist man relativ machtlos gegen unzureichende Haftbefehle. Klar, man kann Beschwerde einlegen. Dann übernimmt das Landgericht oder auf „weitere Beschwerde“ das Oberlandesgericht den Job des Ermittlungsrichters und hebt den Haftbefehl entweder auf oder verfasst einen korrekten Haftbefehl. Schade, dass die erste Instanz hierzu und sei es aus „Sachzwängen“ und „Personalknappheit“ wenig in der Lage ist. Denn hier fällt das Kind schon in den Brunnen. Zu bedauern sind diejenigen Mandanten, die für einige Wochen den Knast von innen sehen mussten, weil ihre Akten erst intensiv auf eine Beschwerde hin gelesen wurden.