Das Lob geht nicht an meine Referendarin. Ich habe nämlich derzeit leider ebensowenig eine wie einen Referendar. Dabei ist es doch so ein spannendes Betätigungsfeld…
Das Lob geht vielmehr an die Referendarin, die neulich als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft die Anklage vertrat. Mein Mandant war wegen Diebstahls in Untersuchungshaft. Schon bei der Haftprüfung wollte der Richter ihn nicht rauslassen. In der Hauptverhandlung waren wir dann geständig und ich verwies auf die langjährige Drogensucht des Mandanten und seine unbedingte Therapiewilligkeit. Und darauf, dass ich selbst im Gespräch mit dem zuständigen Drogenberater die Weichen für die Therapie gestellt hatte. Nur müsse der Mandant für einige Zeit in Freiheit sein, dann liegt es an ihm, ob er die Therapiekurve bekommt, denn der Drogenberater könne nur sehr beschwerlich bis gar nicht in der Haft helfen. Außerdem gäbe es meiner Ansicht nach -wie immer- keine Fluchtgefahr.
Die Referendarin plädierte sehr ordentlich und kam zu einem Antrag von acht Monaten ohne Bewährung. Im Prinzip ein vertretbarer Antrag. Ich holte in meinem Plädoyer nochmals aus und fokussierte mich auf die Aufhebung des Haftbefehls. Die Strafhöhe war mir letztlich relativ egal, da der Mandant ohnehin eine Therapie machen wird und er durch diese wegen § 35 BtmG seine Strafe nicht wird verbüßen müssen. Ich wies darauf hin, dass es bei Aufhebung des Haftbefehls zur Therapie kommen wird und bei weiterer Haft eben nicht, weil der Mandant es aus dem Knast heraus nicht schaffen wird. Dann wird er irgendwann untherapiert entlassen und die Gesellschaft hat letztlich nichts davon. Danach hatte der Mandant sein letztes Wort und redete (leider) minutenlang. Meine Bremsversuche waren leider nicht von Erfolg gekrönt, auch der Schienbeintritt verfehlte sein Ziel. Der Richter fing an sein Urteil zu kritzeln, als die Referendarin noch anmerkte, dass sie vergessen habe, zur Haft etwas zu sagen. „Was wollen Sie denn beantragen?„, fragte der Richter. „Ich schließe mich dem Verteidiger an.“ Sichtbares Verdrehen der Augen beim Richter. „Wie bitte?? Der hat die Aufhebung des Haftbefehls beantragt!“ – „Ja, dem schließe ich mich an.“
Der Richter war sichtbar überrascht, holte tief Luft und schüttelte vorsichtig den Kopf. Fand aber die Form wieder, indem er mir nochmal Gelegenheit zu Ausführungen gab, worauf ich natürlich verzichtete und dem Mandanten noch einmal das letzte Wort gab. Ihm flüsterte ich zu, dass das nicht nötig sei, es sei ja schon alles gesagt, aber er fand noch neue Argumente und sprach wieder einige Minuten.
Am Ende stand eine höhere Strafe als beantragt – ein Jahr, aber auch die Aufhebung der Untersuchungshaft. Und ich bin aufgrund der Gestik und Mimik des Richters sicher, dass ich dies allein dem Antrag der Referendarin zu verdanken habe. Natürlich ist der Richter daran nicht gebunden, ebensowenig wie an den Antrag zur Strafhöhe. Aber er hat sich sichtbar davon beeinflussen lassen. Glück gehabt, jetzt kann der Mandant seine dringend benötigte Therapie beginnen.