Mandanten kommen, Mandanten gehen. Manche wechseln zu mir, weil sie zuvor bei einem anderen Kollegen oder einer anderen Kollegin nicht zufrieden waren und eine Empfehlung bekamen, andere gehen wieder, weil ihnen das Erreichte vielleicht nicht ausreicht. Manche wechseln auch die Anwälte wie Normalsterbliche die Oberbekleidung. Das ist normaler Alltag und die Alarmglocken schellen innerlich allenfalls dann, wenn man bei Durchsicht der vom Mandanten beigebrachten Unterlagen feststellt, dass man schon der sechste oder siebte ist, dem der neue Mandant vollstes Vertrauen entgegenbringt…
Alles soweit gut. Ärgerlich wird es aber dann, wenn Mandanten zu Ex-Mandanten werden. weil sie von einem anderen Kollegen Zauberdinge versprochen bekommen. Also nicht einen Auftritt zur Kinderbespaßung anlässlich des bevorstehen Gartenfests, sondern eine deutlich zu geringe Strafprognose. Natürlich fragen Mandanten, gerade die, die schon einsitzen und verzweifelt sind, nach dem, was sie im Falle einer Verurteilung zu erwarten haben. Auf diese Frage kann man im wesentlich in dreierlei Variation antworten: Zu Beginn ist die seriöse Antwort, dass man die Dinge erst dann wesentlich präziser einschätzen kann, wenn man Akteneinsicht hatte und man bis dahin allenfalls raten könne. Die zweite Antwortmöglichkeit ist idealerweise eine realistische Abschätzung dann, wenn man alle Umstände kennt. Und zu schlechter letzt ist die dritte Antwortalternative eine viel zu optimistische Prognose, die mit der Realität nicht sehr viel zu tun hat.
Wenn ein Anwalt nun in der Lage ist, die unseriöse, da im Falle einer Verurteilung völlig unrealisierbare Straferwartung als seine ernsthafte Prognose zu verkaufen – wieso sollte der unbedarfte Mandant dann bei dem Anwalt bleiben, der die Dinge beim Namen genannt hat. Da hat der Mandant dann ja nicht viel zu erwarten. Und wenn zudem noch in Aussicht gestellt wurde, möglicherweise schon in ein paar Wochen frei zu sein, dann wäre es aus Sicht des Inhaftierten geradezu töricht, nicht rasch die Chance zu ergreifen und diesen neuen Anwalt zu beauftragen.
Diese Spezies grassiert leider tatsächlich in den Haftanstalten und sorgt dafür, dass die eigene seriöse und manchmal harte Arbeit dadurch belohnt wird, dass ein Mandant bald der Ex-Mandant ist; ganz abgesehen davon, dass der Ex-Mandant plötzlich auch in der Lage ist, ein vielfaches des zuvor aufgerufenen Honorars zahlen zu können. Nun muss der Kollege, von denen es leider so einige gibt, natürlich damit leben, dass sein Mandant am Ende der Verhandlung völlig unverdient doch eine wesentlich höhere als die versprochene Strafe kassiert hat. Wenn es ihm nicht gelingt, dieses auf die schlechte Arbeit des ehemaligen Verteidigers zu schieben, der vor ihm den Fall bearbeitet hat, dann wird dieser Anwalt sich auf den Gerichtsfluren und in seinem Büro so einiges von Mandanten und Angehörigen anhören lassen müssen. Aber das hält man dank des vereinnahmten Honorars scheinbar aus; anders ist nicht zu erklären, dass dieses Verhalten ständig an den Tag gelegt wird.
Und beim nächsten Mal kümmere ich mich um die Kollegen, die ihre Mandate durch Provisionszahlungen für Vermittlungen an Wärter oder Mitgefangene bekommen. Oder sind das gar dieselben?