Gerade verteidige ich einen Mandanten, der von seinem ehemaligen Rechtsanwalt wegen Betruges angezeigt worden ist. Das passiert durchaus häufiger mal. Wenn Mandanten ihre Rechnungen nicht zahlen (was leider noch viel häufiger vorkommt), greifen einige Anwälte auch mal zur Strafanzeige wegen Betruges in der Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaft den Job des Geldeintreibers übernimmt, was mitunter auch klappt. Viele Verfahren werden mit der Auflage eingestellt, dass die Rechnung beglichen wird.
Doch dieser Fall erscheint mir besonders, vor allem wegen der Wortwahl des lieben Herrn Kollegen. Der Mandant entstammt finanziell bescheidenen Verhältnissen. Er beklagte eine ärztliche Fehlbehandlung und wollte anwaltlichen Rat. Zu diesem Anwalt geriet er durch eine Empfehlung (was beweist, dass man auf manche Empfehlungen nicht immer hören sollte). Letztlich ist streitig, ob direkt im ersten Gespräch auf die schlechten finanziellen Verhältnisse hingewiesen worden ist oder nicht. Mandant sagt, er habe ganz klar gesagt, dass er solch einen Prozess selber nicht finanzieren könne und daher auf Prozesskostenhilfe angewiesen sei. Anwalt behauptet, darauf sei er nicht hingewiesen worden.
Nun wird der liebe Kollege in seiner Strafanzeige regelrecht pampig und outet sich sinngemäß wie folgt: Wenn man gewusst hätte, dass es sich um ein „Prozesskostenhilfemandat“ gehandelt hätte, dann hätte man dieses von vornherein nicht angenommen. Dieses würde dem „Geschäftsprinzip“ der Kanzlei widersprechen, „weil wir mit derartigen Leuten die schlechtesten Erfahrungen gemacht haben„. Der Mandant habe sich später mit „Jammeranrufen“ an die Kanzlei gewendet. Durch sein Verhalten setze der Mandant „Leistungsträger der Gesellschaft aufs Trockene„. Schließlich sei dem Mandanten im Rahmen des Strafverfahrens „im Interesse der Leistungsträger aufzuzeigen, dass es so nicht geht„. In einem Brief an den Mandanten lässt der liebe Kollege weiter Luft ab, indem er dem Mandanten vorhält, dass er ja Sozialleistungen empfange und „damit von uns als Steuerzahlern üppig beschenkt“ werde.
Da fragt man sich doch allen Ernstes erstens, ob man nicht Leistungen trägt, wenn man Prozeßkostenhilfemandate und Pflichtverteidigungen übernimmt. Außerdem zeigt der liebe Kollege mit seinem Wortschwall, dass er nicht bereit ist, ein Sonderopfer zugunsten sozial schwächerer Mandanten zu übernehmen, wie dies ein Großteil der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu übernehmen selbstverständlich bereit ist. Dieser Anwalt nimmt sich also ganz bewusst aus von der Verpflichtung, auch den sozial Schwachen zu helfen. Wer hier also derjenige ist, der sich nachhaltig an der Gesellschaft bereichert, wäre hier die Frage.
Die Hauptverhandlung beginnt bald leider zunächst ohne den lieben Herrn Kollegen. Ich neige dazu, den Mandanten zunächst schweigen zu lassen und damit die Anreise des Kollegen zum Termin zu erzwingen. Das -und eine intensive Befragung meinerseits- wird sicherlich ein wenig der kostbaren Zeit des werten Herrn Leistungsträger in Anspruch nehmen. Und es wird mir ein Vergnügen sein.