Der Mandant hat noch nie etwas mit der Polizei und Anwälten zu tun gehabt. Bekommt aber eines Tages beim Koffer packen (nein, nein, nicht zur Flucht) Besuch von der Polizei. Sein Fahrzeug habe vor einer halben Stunde in der Nachbarstadt einen Verkehrsunfall verursacht und der Fahrer sei ohne anzuhalten abgedampft. Unfallflucht sei der Vorwurf. Mandant entgegnet, weder er noch sein Auto hätte das eigene Grundstück verlassen, man sei schon seit geraumer Zeit am Packen der Koffer. Polizei schaut sich das Fahrzeug an, stellt einerseits fest, dass es wie vom Unfallbeteiligten geschildert rot ist, andererseits über keinerlei Unfallspuren verfügt. Polizei geht wieder.
Mandant wird weiterhin der Unfallflucht verdächtigt und wendet sich an seine Rechtsschutzversicherung, die Rechtsschutz Union. Er will wissen, ob diese für solch einen Fall einen Anwalt bezahlt. Freundlicherweise wird der Mandant von der Hotline aus gleich zu einem Anwalt durchgestellt, der gerne bereit ist, diesen Fall zu übernehmen. Also ein Anwalt, der mit der Versicherung zusammen arbeitet. Der Deal in solchen Fällen ist der, dass der Anwalt mit reichlich Aufträgen versorgt ist und im Gegenzug eine feste Vereinbarung hinsichtlich des Honorars mit der Versicherung hat. Win-Win könnte man meinen, wäre da nicht noch ein dritter, unbedeutender Beteiligter an dieser Rechnung, nämlich der Mandant.
Der Anwalt der Versicherung, der nunmehr auch der Anwalt des Mandanten ist, fordert die Akte bei der Staatsanwaltschaft an. So weit, so richtig. Schickt die Akte auch als Durchschrift an den Mandanten. Auch richtig. Bevor eine Einlassung abgegeben wird, kommt ein Schreiben der Staatsanwaltschaft. Diese bietet an, das Verfahren einzustellen, wenn der Mandant bereit ist, eine Geldbuße von 400€ zu zahlen (§ 153a StPO). Eine solche Einstellung kommt bei kleineren Verstößen in Betracht, bei denen die Schuld gering wäre. Eine Vorstrafe im eigentlichen Sinne wäre es nicht.
Der Anwalt der Versicherung, respektive des Mandanten rät, auf dieses Angebot einzugehen. Das Angebot sei super. Die Geldauflage sei gering und das Verfahren dann flugs beendet.
Der Mandant ist jedoch unsicher. Er hat doch gar nicht gemacht, sondern wurde nur beim Koffer packen von der Polizei besucht. Und es kommt ihm spanisch vor, dass er für diesen Besuch der Beamten 400€ zahlen soll. Er wendet sich wegen einer zweiten Meinung an mich.
Gezahlt wird natürlich nichts. Der Mandant hat nicht nur nichts gemacht, es gibt darüber hinaus auch keinerlei Beweise. Aus der Akte, die der Kollege Versicherungsanwalt vorliegen hatte ergibt sich, dass der Unfallbeteiligte niemanden erkennen konnte. Er konnte nichts über Geschlecht und Alter des Fahrers angeben („es ging alles so schnell“). Er habe sich nur schnell das Kennzeichen notiert. Außerdem könne er niemanden wieder erkennen. Zudem hatte, wie schon erwähnt, die Polizei keine Unfallspuren feststellen können. Und selbst wenn eine Unfallflucht mit diesem Fahrzeug begangen worden wäre, wovon ich nicht ausgehe, spräche nichts dafür, dass der Mandant diese begangen habe.
Ergo ist nicht im Ansatz ein Grund vorhanden, weshalb man hier 400€ zahlen sollte, außer der Tatsache, dass der Versicherungsanwalt eines seiner mutmaßlich vielen Verfahren mehr vom Tisch hätte und schnell die Gebühren abrechnen kann. Für den Mandanten hätte dies nicht nur die Zahlung der Buße bedeutet, sondern einen Rattenschwanz nach sich gezogen – nicht auszuschließen, dass aufgrund der Zustimmung zu einer solchen Verfahrenseinstellung die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs den Unfall reguliert und den Mandanten für den (nicht angerichteten) Schaden in Regress nimmt. Einige tausend Euro wären dann zumindest in Gefahr.
Man lernt daraus: Nicht immer macht es Sinn, den Anwalt zu nehmen, den die eigene Versicherung empfiehlt. Günstig ist nicht immer gut. Schon gar nicht, wenn der die Empfehlung gibt, der am Ende bezahlen soll.