Die häufigen LeserInnen hier werden es wissen: Ein Freund von Wulff bin ich keineswegs. Auch ich hielt sein damaliges Verhalten im Amt des Bundespräsidenten für kritikwürdig und letztlich ist sein Rücktritt folgerichtig gewesen. Er hat sich vor allem politisch katastrophal fehlerhaft verhalten und war in diesem Amt nicht mehr tragbar.
Nun geht es in dem heute gegen ihn beginnenden Prozess um eine andere, die strafrechtliche Ebene. Ich selbst habe zu Zeiten seiner Präsidentschaft nicht geglaubt, dass die Staatsanwälte jemals ernsthaft gegen ihn ermitteln würden. So kann man sich irren. Aber wenn ein einst Mächtiger erst gefallen ist, fällt es auch anderen leichter, gegen ihn zu ermitteln. Nun steht er also tatsächlich vor Gericht, aber dieses Verfahren ist doch in einiger Hinsicht bemerkenswert – wie häufig in Verfahren gegen sogenannte Prominente. Um einige, wenige Punkte herauszustellen:
1. Der nach den anfänglichen Ermittlungen gegen Wulff verbliebene Teil der Vorwürfe, welcher von der Staatsanwaltschaft letztlich angeklagt wurde, wäre für gewöhnlich ein Fall für das Amtsgericht. Das Amtsgericht ist zuständig für kleine Strafsachen mit niedriger Straferwartung. So ist es auch hier. Nun kann ein Fall wegen seiner „besonderen Bedeutung“ auch beim Landgericht angeklagt werden (§ 24 GVG). Auch so ist es hier. Diesen Weg hat die Staatsanwaltschaft gewählt. Und -nach den Buchstaben des Gesetzes- auch zurecht, denn natürlich hat dieser Fall besondere Bedeutung, denn sonst würde hier im Blog auch gar nicht drüber berichtet werden… Aber: Wulff hat somit durch seine besondere Position auch einen -zumindest rechtsstaatlichen- Vorteil: Ein Landgericht kümmert sich allein wegen seiner Ressourcen viel eingehender um seine Fälle. Otto Normalverbrecher weiß es: Er wird vom Amtsgericht ohne viel Federlesens verurteilt. Seine Berufung beim Landgericht führt dagegen in aller Regel zu einer wesentlich umfänglicheren und genaueren Betrachtung des selben Falls. Nicht, dass das Amtsgericht das nicht auch schon hätte tun können, aber die Damen und Herren Amtsrichter haben zuviel zu tun, als dass sie jedem Kinkerlitzchen nachgehen können. Das Landgericht kann dies schon und wird dieses vermutlich auch tun. Somit hat Wulff die ideale Beobachtung seines Falls durch die Justiz. Anders, als in vergleichbaren Fälle des Normalbürgers.
2. Dieser scheinbare Vorteil hat allerdings im konkreten Fall auch einen nicht zu unterschätzenden Nachteil: Während ein Amtsgericht in einem, vielleicht zwei Tagen zu einer Entscheidung gelangt wäre, hat das Landgericht Hannover hier 22 Verhandlungstage angesetzt. Zunächst. Wulff hat zwei Verteidiger. Beide werden vermutlich nicht zu den gesetzlichen Kursen arbeiten, sondern höhere Stundensätze aufrufen. Selbst wenn Wulff einen Freispruch erzielt, bekommt er lediglich die Verteidigungskosten für einen Verteidiger und auch nur auf Basis der gesetzlichen Mindestvergütung retour. Für die zu erwartenden höheren Stundensätze sowie den zweiten Verteidiger gibt es nichts. Das wird Wulff (oder halt ein Freund…) aus eigener Tasche zahlen müssen. In der Summe dürfte es bei dieser Vielzahl von Verhandlungstagen selbst bei einem Freispruch für Wulff durchaus teuer werden. Andererseits erhält Wulff somit den Luxus einer idealen Verteidigung. Ein gut bezahlter Verteidiger ist nun einmal in der Lage, einen Großteil seiner Arbeitszeit für just diesen einen Fall aufzubringen und somit ideal vorbereitet zu sein. Und gut bezahlen kann nun einmal nicht jeder. Wulff kann es. Er kann, wenn es darauf ankommen sollte, auch eigene Gutachter finanzieren und damit Einfluss auf das Verfahren nehmen – Dinge, die die „normalen Angeklagten“ leider nicht können.
3. Die Staatsanwaltschaft spielt ein merkwürdiges Spiel. Sie ist natürlich arg in der Kritik, ermittelt sie doch zunächst gegen Wulff in weitaus größeren Dimensionen, um letztlich einen Bestechlichkeitsvorwurf bei einer erhaltenen Vorteil von (nur noch) 750€ als erwiesen anzusehen. Wulff wird die Einstellung gegen Zahlung von 20.000€ angeboten – und er lehnt ab. Tja. Was nun? Man hätte nun auch ohne Zahlung eines Bußgelds einstellen können, das wäre ohne Zustimmung Wulffs gegangen, aber man entscheidet sich für eine Anklage. Zu allem Ärger stuft das Landgericht diese Anklage schon nach Aktenlage herunter von Bestechlichkeit auf Vorteilsannahme. Viel übrig bleibt nicht mehr. Trotzdem lässt es sich die Staatsanwaltschaft Hannover nicht nehmen, neben ihren üblichen Pressemeldungen auch eine mit für die Wahrheitsfindung so wichtigen Informationen zu veröffentlichen, wie die Ankläger aussehen, wie alt sie sind und wie ihr beruflicher Werdegang war (der bloggende Kollege der Strafakte entdeckte dies bereits). Schicke Fotos allemal, darüberhinaus fragt man sich, ob es eine Presseerklärung zur Verteidigung der eigenen Anklage sein soll.
In vielerlei Hinsicht ist und wird es ein seltsamer Prozess, in dem es in der Sache um fast gar nichts mehr geht. Teuer wird es, so viel kann man sagen. Hoffentlich wird es nicht nur peinlich.