Kennt noch jemand den Film Sex, Lügen und Video aus den 1980er Jahren? Falls nicht, hier gehts zum Trailer.
Der Titel passt wie die Faust auf’s Auge zu den derzeitigen Massenabmahnungen der (mal wieder) Kanzlei U+C. Wie allenthalben diskutiert wird, werden seit Tagen tausende von Abmahnungen verschickt wegen des Vorwurfs angeblichen Streamings von Pornofilmchen auf dem Videoportal „redtube“. Das ist schon eine gewaltige Neuerung, denn die klassischen Massenabmahnungen von Kanzleien wie U+C, Waldorf und Frommer, Rasch und wie sie alle heißen, drehten sich um den Download (und den damit verbundenen teilweisen Upload) von Filmen oder Musik über Torrent-Programme. Nun geht es um das Streaming von Filmen, also lediglich um das Anschauen, nicht um das Bereitstellen für andere. Dies war bis dato praktisch nicht Gegenstand der Abmahnwirtschaft. Konnte es auch nicht sein, denn die relativ eindeutige Tendenz zur Beantwortung der Frage, ob Streaming erlaubt oder verboten ist, geht in die Richtung, dass dem einzelnen User urheberrechtlich nichts vorzuwerfen ist. Deshalb gehen diese neuen Abmahnungen schon rechtlich ins Leere. Es stellen sich indes viele Fragen zu dieser jüngsten Abmahnmasche: Wie kommen die Abmahner an die IPs? Kommen Sie überhaupt an die IPs? Was erlaubt sich das Landgericht Köln, Beschlüsse dahingehend zu erlassen, die die Provider zur Auskunft verpflichten, wer hinter diesen IPs steckt, obwohl kein urheberrechtlicher Verstoß vorliegt?
Dass die Abmahnungen von U+C rechtlich nicht im Ansatz haltbar sind, dürfte außer Frage stehen. Der Kollege Stadler hat dies in seinem Blog wie stets fundiert dargelegt.
Trotz des juristischen Gegenwinds, den U+C sehr zurecht erhält, könnte sich das Abmahngeschäft dennoch lohnen. Denn ein nicht unerheblicher Anteil der vermuteten über 10.000 Abgemahnten wird sich sicherlich nicht beraten lassen oder aufgrund des Vorwurfs eines vermeintlichen Streamings unanständiger Filmchen sofort den aufgerufenen Betrag an U+C zahlen, um Ruhe zu haben. Wenn nur 1.000 Leute die geforderten 250€ zahlen, hat sich das Weihnachtsgeschäft schon gelohnt. A propos Weihnachten: Sicherlich nicht ganz zufällig, dass diese Massenschreiben ausgerechnet zu einer Zeit kommen, in der die Arbeitnehmer traditionell ihr Weihnachtsgeld kriegen. Das erhöht sicherlich die Zahlungsbereitschaft.
Blöd ist für die Abgemahnten weiterhin, dass sie die Anwaltskosten selber zahlen müssen, wenn sie zum Anwalt gehen; es sei denn, sie sind aufgrund ihres niedrigen Einkommens beratungshilfeberechtigt. Die allermeisten Rechtsschutzversicherer übernehmen die Kosten für die Vertretung auf diesem Gebiet leider nicht. Im Gegenteil: Einer der Mandanten, die mit einer solchen Abmahnung zu mir kam, hatte sich zuvor bei seiner Versicherung über die gefürchtete Anwalts-Hotline beraten lassen. Was riet man ihm? Er solle die Unterlassungserklärung leicht ändern, aber schließlich doch abgeben und den aufgerufenen Betrag zahlen. Na herzlichen Glückwunsch zu so einer Versicherung; wer so eine Versicherung hat, braucht keinen Prozeßgegner mehr. Vielleicht ist aber auch die nette Idee des Kollegen Dr. Bahr interessant, die Abmahnfreunde von U+C direkt in die persönliche Haftung für die ungerechtfertigten Abmahnungen zu nehmen (da der angebliche Mandant in der Schweiz sitzt, ist bei diesem wohl faktisch nichts durchzusetzen). Wäre jedenfalls mehr als einen Gedanken wert.