Der Mandant wollte sein täglich Methadon in der Arztpraxis abholen. Der Arzt wollte es ihm nicht geben, da der Mandant nach seiner Ansicht betrunken sei. Der Mandant wollte allerdings nicht ohne das Methadon aus der Praxis gehen. Suchtdruck. Nach dem Vorwurf des Arztes habe der Mandant sodann mit einem Messer herumgefuchtelt und die Herausgabe des Methadons erzwungen. Rasch trank der Mandant seine Portion aus und verliess die Praxis wieder.
Draußen kam es dann zu einem weiteren Vorfall: Der Mandant soll eine Auseinandersetzung mit einer anderen Person haben und diese mit dem Messer verletzt haben.
All das führte zur Verhaftung und zur Untersuchungshaft. Vorgeworfen wurden ihm räuberische Erpressung (Mindeststrafandrohung 5 Jahre) plus gefährlicher Körperverletzung.
Aber wieso eigentlich Erpressung? Das Methadon gehörte doch dem Mandanten selber – es war quasi seins. Denn bezahlt wurde es schon im Vorfeld gegenüber der Apotheke, die es sodann zum Arzt verbringt, der es aufzubewahren und im Zweifel zu verordnen hat. Geregelt wird dies in der sogenannten Betäubungsmittel-Verschreibungsveordnung. Allein der Umstand, dass der Patient betrunken gewesen sein soll (wenn es denn so war) und der Arzt der Auffassung ist, er könne im Augenblick das Medikament nicht verordnen, führt nicht dazu, dass es im Eigentum des Arztes steht. Ergo hätte weder der Arzt noch ein anderer einen „Vermögensnachteil“, wenn der Mandant sich sein Methadon auch mittels eines Messers besorgt. Und ohne Vermögensnachteil keine Erpressung.
Und was die Körperverletzung angeht? Mandant sagt, er sei mit einem Fleischerbeil angegriffen worden, weil der Hobbymetzger Schulden eintreiben wollte. Dazu sagte die Akte nichts. Und die Staatsanwältin lachte innerlich über diese Einlassung, die zu einer Notwehrsituation führen würde. Als dann aber in einer Nachvernehmung der Hobbymetzger einräumte, er sei tatsächlich mit einem Fleischermesser unterwegs gewesen, weil er abends bei seiner Freundin noch Fleisch zubereiten wollte und auch noch bestätigte, dass der Mandant Schulden bei ihm habe, er aber keineswegs angegriffen habe, wendete sich das Blatt und plötzlich scheint doch etwas dran zu sein an der Einlassung.
Die Staatsanwaltschaft war jedoch anderer Auffassung und sah dennoch räuberische Erpressung und Fluchtgefahr an. Bei einer mutmaßlichen Strafe über 5 Jahren müsse Untersuchungshaft vollstreckt werden. Auch der Mandant gab sich schon auf. Er habe immer Pech und werde sowieso immer unschuldig verurteilt, während der Metzger noch auf freiem Fuß wäre. Bei der Haftprüfung ließ ihn das Amtsgericht auch nicht heraus. Natürlich dürfe man nicht mit einem Messer Methadon erpressen. Das sei nun mal räuberische Erpressung. Auch das Landgericht bestätigte diese Auffassung, ohne sich auch nur im Ansatz mit der Eigentumsfrage oder dem vermeintlichen Vermögensschaden zu befassen. Einmal Junkie, immer schuldig. Nach der Anklageerhebung dann aber der Wechsel zu einer neuen Strafkammer beim Landgericht, die in der erneuten Haftprüfung die Probleme erkannte und völlig richtig würdigte. Natürlich wurde der Haftbefehl (schon nach 2 Monaten) aufgehoben. Der Mandant ist jetzt frei. Und hat sich jetzt nur noch wegen Nötigung zu verantworten. Es wird Zeit für Weihnachten…