Es kommt auch darauf an, wer einen nun gerade verprügelt. Wenn es der richtige ist, kann man durchaus finanzielle Vorteile davon haben.
Das Mandantenehepaar machte eine Fahrradtour. An einer Kreuzung, an welcher die Fahrräder Vorfahrt hatten, brauste ein Autofahrer ohne Rücksicht zu nehmen auf die Kreuzung zu, womit er die Fahrräder zum Ausweichen zwang. Der Mandant echauffierte sich über das Fahrmanöver, was den Autofahrer veranlasste, aus seinem Auto auszusteigen, drumherum- und auf den Mandanten hinzuzulaufen und ihn mit einem Karatetritt unter lautem Rufen FSK-18-reifer Beleidigungen gegen die Brust zu treten. Der Mandant ging zu Boden, die Polizei wurde gerufen, das Verfahren nahm seinen Lauf.
Der Mandant übernahm im Prozess die Rolle eines Nebenklägers und stellte einen Antrag auf Zahlung eines reichlichen Schmerzensgeldes.
Kurz vor dem Termin kam dann der Verteidiger des Täters auf uns zu und wollte seinen Mandanten nach bewährter angloamerikanischer Rechtssitte freikaufen. Wir würden ein großzügiges Schmerzensgeld erhalten, wenn wir im Gegenzug den Strafantrag zurücknehmen würden. Die Rücknahme eines Strafantrags bedeutet, dass einige Delikte nicht mehr bestraft werden dürfen – unter anderem die Beleidigung. Die Körperverletzung wird nur dann verfolgt, wenn die Staatsanwaltschaft das für notwendig hält. Das hielt sie hier natürlich. Auch wollte sich der Täter bereiterklären, die Kosten für das Verfahren zu übernehmen, wenn der Strafantrag zurückgenommen wird (§ 470 StPO). Da auch Anwälte manchmal käuflich sind und das Angebot wirklich gut war, haben wir bei dem Deal mitgemacht. Was schert den Mandanten eine zusätzliche Bestrafung des anderen wegen Beleidigung, zumal die Körperverletzung sowieso geahndet wird, wenn man ein stattliches Sümmchen bekommt. Meine Bedenken waren natürlich, ob es sich um bloße Lippenbekenntnisse handelt oder wir echtes Geld bekommen würden. Im Vorgespräch äußerte der Richter zu uns, der Angeklagte solle doch einfach das Geld jetzt auf den Tisch legen, er hätte doch immer was dabei. Dann sei die Sache erledigt. Ich wunderte mich zwar ein wenig, entnahm der Diskussion zwischen Verteidiger und Richter jedoch, dass der hitzköpfige Autofahrer im Nebenberuf Bordellbesitzer sei, zumindest bis vor kurzem war, und schon deshalb über Barmittel verfügte. Das wurde zwar für den Tag der Verhandlung in Abrede gestellt, aber zu meiner weiteren Überraschung erklärte der Verteidiger, dass er „anwaltlich versichere“, dass wir innerhalb eines Monats sämtliches Geld, also das Schmerzensgeld sowie mein Honorar bekommen würden. Im Prinzip hat der Kollege Verteidiger sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt und eine Art Bürgschaft abgegeben, die ihm zumindest Schwierigkeiten bereiten würde, wenn die Zahlung ausbleibt. Er wird sicherlich wissen, was er tut.
Allerdings ist es in dem Verfahren dann nicht zu einer vom Verteidiger ursprünglich angestrebten Einstellung gekommen. Wegen Körperverletzung setzte es eine saftige Geldstrafe plus ein sogenanntes „Adhäsionsurteil“, mit dem wir unser Schmerzensgeld (das anerkannt wurde) schwarz auf weiß haben.
In diesem Sinne konnte unser Mandant ganz froh sein, dass es ausgerechnet ein gerichtsbekannter Bordellbesitzer war, der ihn da attackierte. So hatte er einen schönen Vormittag beim Gericht, eine befriedigende Bestrafung seines Gegenübers erlebt und noch Aussicht auf einen kleinen Urlaub dank des versprochenen Schmerzensgelds. Freikaufen ist manchmal doch nicht so ganz schlecht.