Wenn ein Jugendrichter Arrest gegen einen jungen Angeklagten verhängt, kann man wenig dagegen tun. Arrest, das ist eine angeblich mildere Form der Haft, die nur gegen Jugendliche vollzogen wird. Sie wird in bestimmten Jugendarrestanstalten verbüßt. Arrest gibt es für ein Wochenende oder auch für zwei. Oder für eine ganze Woche. Oder für zwei. Sogar vier Wochen Dauerarrest sind eine mögliche Sanktion gegen Jugendliche. Das rechtsstaatlich Schlimme daran ist, dass gegen ein solch hartes Urteil kaum ein Kraut gewachsen ist. Denn dank der glorreichen Vorschrift des § 55 JGG kann man -im Gegensatz zu Urteilen gegen Erwachsene- gegen ein Urteil, das auf Arrest (ein sogenanntes „Zuchtmittel“ – schlimmes Wort) lautet, nicht wegen der Höhe der Strafe angreifen. Entweder es gibt in der Berufung einen Freispruch oder es verbleibt beim Arrest. Jeder Erwachsene darf auch die Höhe seiner Strafe anfechten, nicht so der Jugendliche. Ich halte das je nach Jugendrichter, den man so vor sich hat, für eine ausgewiesene Katastrophe. Denn Freiheitsentzug für einen Jugendlichen kann mitunter arg kontraproduktiv sein, ob man ihn nun Arrest oder Haft nennt.
Also muss man sich als Verteidiger schon sehr biegen, wenn die Möglichkeiten für einen Freispruch zumindest zweifelhaft sind. So wie in dem Fall meines Mandanten, der, obwohl er nicht vorbestraft war und erst 15 Jahre alt ist, wegen einer Auseinandersetzung mit zwei Mädchen (Ohrfeigen und eine Rauferei) zwei ganze Wochen Jugendarrest bekam. Er war ohne Verteidiger im Prozeß – das Urteil ist geradezu ungeheuerlich, selbst wenn der Vorwurf stimmen sollte (was der Mandant bestreitet).
Aber der Blick in die Akte des Verfahrens machte doch noch etwas Hoffnung. Laut Protokoll der Hauptverhandlung war die Mutter des Mandanten ebenfalls anwesend. Als Mutter hat man neben seinem Kind das sogenannte „letzte Wort“. Nicht so die Mutter in unserem Prozess – das Gericht hat sie einfach vergessen. Zwar bekam es der Angeklagte, von der Mutter stand allerdings nichts im Protokoll. Und so gingen wir in Revision und rügten die sogenannte „Verletzung des letzten Wortes der Erziehungsberechtigten“. Mit zwei Sätzen prangerte ich auch noch die überharte Strafe aus dem Urteil an; nicht, um damit Erfolg zu haben, was wegen der unschönen genannten Vorschrift ausgeschlossen ist, sondern um Stimmung für eine Aufhebung des Urteils zu machen. Letztlich hat es geklappt. Das OLG Hamm (5 RVs 4/14) hat das Urteil inzwischen tatsächlich aufgehoben und bald findet eine neue Verhandlung vor einem neuen Richter statt, wobei dieser nun eine Strafe seiner Wahl nehmen kann, falls er nicht zum Freispruch kommt. Arrest wird es nun in jedem Fall nicht mehr geben, dessen bin ich doch sehr sicher. Und das ist nun mal das wichtigste – ein 15-jähriger kann nicht bei seiner ersten Verfehlung, die zudem nicht wirklich dramatisch wahr, eingesperrt werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Richter in Hamm ähnlich dachten.
Hier ist der Beschluss des OLG Hamm: OLG Hamm 5 RVs 414/13