„Skandalspiel Schalke gegen Saloniki – Ermittlungen gegen 23 Polizisten„, so titelt Spiegel Online und auch andere Medien berichten über diese Nachricht.
Das klingt zunächst ja auch nach einer guten und gerechten Nachricht. Denn dass hier der gesamte Polizeieinsatz völlig anlasslos durchgeführt wurde, grob unverhältnismäßig und unsinnig war und dabei zumindest einzelne Polizisten bei ihrem Versuch, an das corpus delicti, eine Flagge Mazedoniens(!) zu gelangen, Besucherinnen und Besucher des Spiels mit Pfefferspray und Schlagstock verletzten oder zu verletzen versuchten, das konnte ich seinerzeit nicht nur mit eigenen Augen fassungslos beobachten, sondern war reichlich Gegenstand der öffentlichen Diskussion, sei es in den Medien oder sogar im Innenausschuss des Landtags.
Dieser öffentlichen Diskussion dürfte es zu verdanken sein, dass nun vermeldet wird, gegen 23 Polizisten würde wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt werden. Allein, ich halte diese veröffentlichte Mitteilung für ein bloßes Feigenblatt. Es liest sich gut, wenn die Strafverfolger in der Lage sind, auch in ihren eigenen Reihen Straftaten aufzuklären. Denn letztlich ermittelt man gegen sich selbst. Polizisten gegen Polizisten. Staatsanwälte gegen ihre eigenen Ermittlungsbeamten, die der Staatsanwaltschaft sonst zuarbeiten. Was jeder auch nur in Ansätzen begnadete Küchenpsychologe jedoch weiß, hat sich bis zum Gesetzgeber leider noch nicht herumgesprochen: Wenn Menschen gegen andere Menschen unangenehme Dinge, hier also Ermittlungen führen, tun müssen, mit denen sie im übrigen über Jahre zusammenarbeiten, dann schleicht sich in diese Ermittlungen entweder bewusst oder unbewusst eine Sympathie für den anderen ein, der sich letztlich auf das gesamte Verfahren erstreckt. Im Klartext: Ich würde viel darauf setzen, dass am Ende nicht ein einziger Polizist angeklagt oder gar verurteilt werden wird. Man wird Mittel und Wege finden, die Verfahren zur Einstellung zu führen. Staatliche Ermittlungen gegen PolizistInnen leiden ganz einfach unter einer Krankheit im System der Gewaltenteilung: Zuständig für die Frage, ob sich Polizeibeamte strafbar gemacht haben, ist letztlich die Judikative, also eine Richterin oder ein Richter. Aber zur (strafrechtlichen) Judikative gelangt ein Fall nur, wenn die Exekutive, also die Staatsanwaltschaft, den Fall dort anklagt. Wenn die Exekutive das nicht will, weil sie ein Verhalten einer anderen Exekutive „nicht so schlimm“ findet, dann wird dieser Fall niemals durch die Judikative entschieden werden. Wenn in diesem Fall also durch die Staatsanwaltschaft entschieden werden wird, dass entweder den der Straftaten offiziell verdächtigten Beamten Taten nicht konkret nachgewiesen werden können oder eine mögliche Rechtfertigung vorlag oder andere Gründe vorhanden sind, dann wird keine Anklage, sondern eine Einstellung des Verfahrens erfolgen. Und da machste im Ergebnis nix gegen…
Daher ist diese Meldung nichts anderes als ein Feigenblatt, das symbolisieren soll, man würde auch in den eigenen Reihen ermitteln. Tut man wohl auch, das Ergebnis wird für all die verletzten und schockierten BesucherInnen des Spiels gegen Saloniki jedoch frustrierend sein. Frustrierend ist ebenfalls, dass anscheinend -jedenfalls ist dies nicht Teil der Meldung- gegen den Verursacher des ganzen Desasters nicht ermittelt wird: Gegen den Polizeiführer (es heisst im Polizeisprech übrigens wirklich „Führer“) des fraglichen Abends. Also die Person, die durch seinen Befehl, eine Hundertschaft in einen vollbesetzten Block zu schicken, um eine vermeintlich volksverhetzende Fahne zu bergen, in Kauf nahm, dass sowohl Unbeteiligte als auch seine eigenen Leuten zu schaden kommen könnten. Von Ermittlungen oder gar dienstrechtlichen Konsequenzen hört man so gar nichts. Im Gegenteil: Innenminister Ralf Jäger lässt öffentlich keine Gelegenheit aus, seinen Einsatzleiter reinzuwaschen. Sinngemäß lässt er sich ein, hinterher, wenn man am Fernsehen Dinge analysiere sei man immer schlauer, aber in diesem Moment habe halt eine Entscheidung getroffen werden müssen… So kann man natürlich auch fatale Entscheidungen rechtfertigen.
Ach ja, gegen 40 Besucher würde laut der Pressemitteilung ebenfalls ermittelt. Und da kann ich aus eigener Anschauung berichten, dass man bei diesen Ermittlungen nicht so ganz zimperlich ist – Anklagen sind bereits erhoben worden. Ich will an dieser Stelle aus Gründen nicht inhaltlich darüber schreiben, nur so viel, dass die zugrunde liegenden Ermittlungen, die im übrigen auch zu Stadionverboten führten, sagen wir vorsichtig: kurios sind. Ein Zeichen kompletter Überforderung der Polizeibeamten seinerzeit vor Ort.
Der Polizeieinsatz im Spiel gegen Saloniki, das war dann letztlich auch der Urknall dafür, dass in der letzten Woche nun auch in der Schalker Fanszene, wie schon bei zahlreichen anderen Bundesligaclubs, ein Verein gegründet wurde, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, seinen Mitgliedern bei juristischen Auseinandersetzungen rund um ihr Fandasein mit Rat und Tat beizustehen. Als Mitbegründer verweise ich gerade meine ebenfalls dem einzig richtigen Fußballverein nahestehenden Leserinnen und Leser auf das Angebot der Königsblauen Hilfe…