In einem etwas merkwürdigen Fall wurde dem Mandanten Fahren unter Alkoholeinfluß sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen. In der ebenfalls etwas merkwürdigen Hauptverhandlung stritten wird uns vor allem um die rechtliche Frage, ob tatsächlich ein Fahren ohne Fahrerlaubnis vorliegt. Man konnte letztlich für beide Auffassungen ganz gute Argumente finden, die wir uns einander vorhielten – also die Richterin und ich. Der Staatsanwalt kannte wie üblich die Tiefen des Falles nicht und hielt sich weitestgehend aus der Diskussion heraus. Wenn er nach seiner Meinung gefragt wurde, flankierte er reflexartig ohne weitere Argumente die Auffassung der Richterin. Irgendwie immer das selbe.
Irgendwann hatte die Richterin keine Lust mehr und unterbrach die Diskussion, weil noch andere Verhandlungen anstünden und wir „jetzt hier nicht alles ausdiskutieren“ müssten. Ich entgegnete zu denken, dass Hauptverhandlungen doch genau dazu da sind. Aber gut – jedenfalls gelang es noch in letzter Sekunde, wenigstens die Stimmung dafür zu ebnen, dass dem Mandanten die Fahrerlaubnis nicht entzogen wurde. Seit rund sechs Monaten war sein Führerschein schon wegen des Vorwurfs beschlagnahmt. Entzug der Fahrerlaubnis würde bedeuten, dass der Führerschein nicht mehr existiert. Das Gericht verhängt dann eine Sperrfrist (meist etwa 9-12 Monate) und danach kann man ein neuen Führerschein beantragen, den man auch bekommt, wenn das Straßenverkehrsamt nichts dagegen hat (zum Beispiel, weil man in bestimmten Fällen zur MPU, auch bekannt unter Idiotentest, muss).
So bekam der Mandant neben seiner Geldstrafe statt eines Entzugs der Fahrerlaubnis „nur“ noch ein Fahrverbot von drei Monaten aufgebrummt. Damit konnten wir -zumindest im Ergebnis- gut leben, denn das Fahrverbot muss auf die Zeit der Beschlagnahme angerechnet werden. Die drei Monate waren ja schon dicke um. Somit bekommt der Mandant den Führerschein am Ende der Verhandlung wieder. Am Ende der Verhandlung? Denkste. Ich fragte höflich nach, ob wir denn jetzt den Führerschein mitnehmen könnten. Konnten wir aber nicht, die Richterin hatte einen solchen Fall nach eigenen Angaben noch nicht und müsse erstmal nachlesen. Tat sie dann an Ort und Stelle und stellte fest, dass das Fahrverbot -wie eben ausgeführt- angerechnet werden muss. Stellte sich aber auf den irrigen Standpunkt, den Führerschein erst nach Rechtskraft, also wenn innerhalb einer Woche niemand Berufung einlegt, herausgeben zu müssen. Und wieder die nächste Diskussion – aber kein Durchkommen.
Zum Abschied kündigte ich an, dass ich jetzt gegen den Beschlagnahmebeschluss von vor sechs Monaten Beschwerde einlegen müsste, denn der ist ja nun hinfällig und dann gibts den Führerschein zurück. „Bis ich darüber entscheide, ist die Sache rechtskräftig“. Auf meinen Einwand, dass man über Beschwerden nach § 306 StPO innerhalb von drei Tagen zu entscheiden hätte: „Bis dahin bin ich im Urlaub.“
Und ich nach der Verhandlung urlaubsreif…