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Reus

By 19. Dezember 2014Allgemein

Zum Reusgate ist schon viel geschrieben worden, aber es kann ja nicht schaden, wenn ein Schalker Jurist diesen Fall einmal  als quasi völlig neutrale (sic!) Instanz bewertet. Gestern erreichten mich zu dieser Causa so viele Fragen, die ich hier gerne beantworten möchte.

1.Anzahl der Tagessätze

Reus hat wohl einen Strafbefehl über 90 Tagessätze erhalten für fünfmaliges Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Urkundenfälschung. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Gesamtstrafe aus diesen einzelnen Taten. Berücksichtigt man nur diese fünf Taten – und mehr waren ja (zunächst) nicht zu berücksichtigen, dann dürfte die Strafhöhe halbwegs realistisch sein. Immer unterstellt, Reus wäre noch nicht vorbestraft gewesen. Ein normaler Mensch abseits jeglicher Prominenz müsste normalerweise mit einer Strafe pro Fall von 30 Tagessätzen rechnen; bei weiteren Taten würde man hierauf einen kleinen Aufschlag packen, immer unter der Berücksichtigung, dass er bei jeder einzelnen Fahrt noch nicht vorbestraft war. Man multipliziert bei einer Gesamtstrafe diese 30 Tagessätze jetzt nicht mit 5, sondern erhöht die Strafe um ein bauchgefühlsmäßiges Maß. Dass dann am Ende 90 steht, ist aus diesem Blickwinkel durchaus realistisch – wenn man nur die wenigen vorgeworfenen Taten des führerscheinlosen Fahrens berücksichtigt. Da aber offenbar auch eine Urkundenfälschung wegen eines bewusst mitgeführten gefälschten Führerscheins mitbestraft wurde, wäre meine vorsichtige Einschätzung, dass ein Normalbürger bei einem vergleichbaren Vorwurf eher mit einer höheren Strafe zu rechnen gehabt hätte, wenngleich auch nicht wesentlich höher.

Die in der Presse zitierte Aussage, er habe sich nach dem Mißlingen seiner Führerscheinprüfung dazu entschieden, ohne Führerschein zu fahren, gibt dem ganzen dazu eine besondere Note. Ich will einmal unterstellen, dass er diese Aussage nicht bei Gericht abgegeben hat, sondern es sich um eine (verdammt dämliche) außergerichtliche Äußerung handelte. Das Gerichtsverfahren gegen Reus endete mit einem Strafbefehl, also in einem rein schriftlichen Verfahren. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass ein Anwalt für ihn in dieses schriftliche Verfahren eine solche Äußerung abgab. Hätte das Gericht oder die Staatsanwaltschaft von dieser Äußerung, die von Hartnäckigkeit und Gesetzeslosigkeit nur so trieft, gekannt, wäre eine höhere Strafe zumindest in der Gesamtstrafe zu erwarten gewesen. Oder eben ein Richter entscheidet, der einem falschen Fußballverein nachläuft.

Ein wenig schade finde ich, dass unser Straftäter nicht mehr den Bestimmungen des Jugendstrafrechts unterliegt. Im Jugendstrafrecht gibt es bekanntlich eine größere Auswahl an kreativeren Sanktionsmöglichkeiten. Ein paar Wochenendarreste hätte ich ganz charmant gefunden, man hätte diese geschickt auf die Derbywochenenden legen können.

 

2. Höhe der Tagessätze

Am Ende steht eine Geldstrafe von saftigen 540.000,-€. Das macht einen Tagessatz von 6.000,-€. Die Tagessatzhöhe soll sich in etwa an dem orientieren, was der Straftäter täglich netto zur Verfügung hat. Das Gericht geht also von satten 180.000,-€ pro Monat netto aus, was ganz grob gerechnet einem Bruttojahresgehalt von rund 4.000.000,-€ gleichkommt. Sicherlich müssten bei einem Fussballprofi dieser Preisklasse neben dem reinen Gehalt noch Werbeeinnahmen, WM-PrämienMeisterschaftsprämien, Nichtabstiegsprämien, Mieteinnahmen einerseits sowie Beraterkosten, Unterhaltskosten andererseits berücksichtigt werden. Ob das Gericht zutreffend über die Einkommensverhältnisse von Reus informiert war, weiß man nicht. Wahrscheinlich nicht. Aber dennoch ist der Tagessatz nicht so ganz unrealistisch und die Gesamtsumme auch für einen über jegliches Maß verdienenden Jungprofi heftig.

 

3. aber er ist doch nicht nur fünfmal gefahren

Der Knackpunkt an der Causa Reus ist natürlich der Umstand, dass man ihn nur wegen fünffachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat. Jeder, der auch nur über einen Tag Lebenserfahrung verfügt, dürfte wissen, dass dies lächerlich wenig ist. Und tatsächlich dürfte man hier den Ermittlungsbehörden einen durchgreifenden Vorwurf machen. Gerade dieser Fußballspieler (wie viele andere auch – aber die haben meistens einen Führerschein) brüstete sich mit teuren Autos. Natürlich wird er an nahezu jedem Trainingstag mit seiner Karre auf den Hof gefahren sein und wieder runter. Es dürfte ein unfassbar leichtes sein, dies zu ermitteln. Der Trainingsplatz ist voller Beobachter und Fernsehteams, die selbstverständlich gerne einen Jungkicker mit seinem schweren Gefährt filmen. Oder einfach mal die Kollegen vernehmen. Nun, das könnte die Staatsanwaltschaft auch jetzt noch tun. Sie muss es nur wollen. Die Reus zugeschriebene Äußerung, er habe sich mit 18 Jahren dazu entschieden, das Gesetz Gesetz sein zu lassen und alles selber in die Hand zu nehmen sowie der Umstand, dass er sehr bewusst mit einem gefälschten Führerschein unterwegs gewesen sein soll, müssten eigentlich zu Nachermittlungen drängen. Zwar wäre er selbst in diesen Fällen noch immer wie ein „Unvorbestrafter“ zu behandeln, weil er im Zeitpunkt der Autofahrten eben noch nicht bestraft war, aber die Hartnäckigkeit würde dann doch zu einer massiv höheren Gesamtstrafe drängen. Allerdings scheint, wenn man diesen Artikel auf Spiegel Online liest, die Staatsanwaltschaft sämtliche zur Verfügung stehenden Augen zudrücken zu wollen.

 

4. Nebenfolgen

Nahezu skandalös ist es aus meiner Sicht, wenn in dem Strafbefehl keine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrelaubnis verfügt worden wäre. So lässt sich die Staatsanwaltschaft zitieren, man wolle keine solche Sperre verhängen, um ihm die Möglichkeit zu geben, den Führerschein zu machen. Das klingt mir in der Summe nach etwas zu viel Gnade für jemanden, der offenbar beharrlich gegen Verkehrsgesetze verstößt. Diese Entscheidung kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, zumindest wenn man berücksichtigt, wie mit anderen Angeklagten umgesprungen wird. Prüfungsmaßstab ist dabei die Frage, ob jemand zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Nun ja, wer nahezu täglich und das seit Jahren gegen Verkehrsegeln verstößt, soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft also nicht ungeeignet sein. Das ist schon eine interessante Interpretation, die zumindest in der Gesamtbetrachtung frech ist und das selbst dann, wenn man nur fünf solcher Taten zur Verurteilung bringen lässt.

Auch das Schicksal seines teuren Schlittens ist nicht ganz uninteressant. Augenblicklich verteidige ich jemanden, der während eines Fahrverbots von drei Monaten viermal gefahren sein soll. Vorher und nachher war nichts. Und dennoch möchte die Staatsanwaltschaft ihm nun das Auto als Tatwerkzeug einziehen. Sie versuchen es jedenfalls. Darauf insistiert hat die Polizei, die von „krimineller Energie“ spricht. Nichts desgleichen höre ich aus Dortmund im Fall Reus. Im Gegenteil.

 

5. Zukunft seines Führerscheins

Aber es gibt ja noch das Straßenverkehrsamt. Wenn in diesem Amt der für die Erteilung eines Führerscheins zuständige Sachbearbeiter nicht gerade vom Nichtabstieg seines BVB träumt, dann wird dieser in eigener Verantwortung zu beurteilen haben, ob Reus tatsächlich die Eignung besitzt, eine Fahrerlaubnis zu erhalten. Und dieser Sachbearbeiter ist gerade nicht nur auf die schlampige Ermittlungsarbeit der Justiz angewiesen. Er kann aufgrund des Gesamteindrucks davon ausgehen, dass es eben nicht nur die handvoll Fahrten war, die er tatsächlich ohne Führerschein absolvierte. Und wenn dieser Sachbearbeiter dann zu dem aus meiner Sicht einzig richtigen Ergebnis kommt, wird er Reus auffordern, ein medizinisch-psychologisches Gutachten, vulgo Idiotentest, vorzulegen, in dem ein Verkehrspsychologe beurteilen muss, ob Reus aufgrund seiner hartnäckigen Gesetzesübertretungen eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellt oder nicht.

 

6. Zukunft bei Bayern München

Nicht beurteilen kann ich indes die Frage, ob sich ein Verein wie Bayern München in seinem Portfolio neben gewichtigen Steuerhinterziehern, Zollbetrügern, Brandstiftern und Kunden von jungen Prostituierten noch jemanden aus der verkehrsrechtlichen Kleinkriminalität zulegen möchte. Aber das beraten ja dann die Herren in München in eigener Verantwortung.