Gerade vergeht wieder kein Tag, an dem man nicht einen hilfesuchenden Anruf von Menschen bekommt, die ungebetene Hausbesuche von der Polizei bekommen. Gerade in und um die Fanszene des FC Schalke 04 gehen Polizisten in den Wohnungen einiger Fans zur Zeit ein und aus. Aktueller Hintergrund ist das Spiel gegen Bayern München am 21.11.2015. Man erinnere sich: Eine Gruppe von rund 200 Personen, die dem Spektrum der Münchener sowie Bochumer Beteiligter zugehörig ist, griffen vor dem Spiel im Bereich der Schalker Nordkurve die dort auf Einlass wartenden Zuschauer gewalttätig an und sorgten so für zahlreiche Verletzungen und vor allem ängstliche Momente der nichts ahnenden Zuschauer. Bevor die Polizei eingetroffen war, kamen den Angegriffenen andere Fans aus dem Schalker Bereich zu Hilfe und sorgten dafür, dass die Angreifer das Weite suchten. Mutmaßlich wurde so schlimmeres verhindert.
Das hindert die Gelsenkirchener Polizei allerdings nicht, nun diejenigen zu verfolgen, die für Hilfe gesorgt haben, denn leider hat das Verwechseln von Tätern und Opfern hier eine gewisse Tradition (den Eingeweihten ist das Spiel gegen PAOK Saloniki noch in traumatischer Erinnerung). Seitdem kommt es zu den angesprochenen Hausbesuchen, in denen die Beamten ihr Repertoire an Psychotricks ausspielen, um ohne viel Aufwand an das gewünschte Ergebnis -Fingerabdrücke, Fotos, Mobiltelefone, Aussagen- zu gelangen. Diese Methoden sind irgendwie allgemein bekannt, es schadet jedoch aus Gründen der Aktualität nicht, einige noch einmal kurz zu skizzieren:
Der verständnisvolle Ermittler
Der Typus des besonders freundlichen Polizisten gibt den Eindruck vor, auf der selben Seite zu sein, wie der jeweils Beschuldigte. Es wird vorgetäuscht, dass man genau so gehandelt hätte oder die Argumente des Beschuldigten gut verstehen könne. Gerne wird dann auch ein Rat erteilt, der nur gut gemeint ist und dessen Befolgung sich sicherlich nur positiv für den Betreffenden auswirken wird. Allerdings: Man muss sich nur die Frage stellen, welches Ziel der ermittelnde Polizist verfolgt, um zu bemerken, dass daran in aller Regel etwas nicht stimmen kann. Wohl kaum wird der Polizist an der Feststellung einer Straflosigkeit des von ihm Beschuldigten interessiert sein. Er beschuldigt ihn ja nun mal. Warum sollte er dem Beschuldigten also einen guten Rat erteilen? Die Befolgung dieses Rats wird daher zunächst mal nur einem helfen – dem Ratgeber.
Das Gespräch mit den Eltern
Bei jüngeren Beschuldigten, die noch bei den Eltern wohnen, wird gerne das Gespräch mit den Eltern gesucht, wenn man den Beschuldigten nicht antrifft. Auch hier wird in einem verständnisvollen Gespräch deutlich gemacht, dass man dem Sohn/der Tochter nichts böses will, sondern man auf der Seite des Gesetzes stünde. Nachteile und Folgen werden aufgezeigt, falls die Kinder nicht zur Vorladung oder ED-Behandlung erscheinen. Man versucht, die Eltern auf die eigene Seite zu bekommen, damit diese ihren Kindern gegenüber argumentieren, doch besser kooperativ zu sein.
Die Drohung mit dem Arbeitsplatz
Es sollte hinreichend bekannt sein, aber dennoch: Man muss als Beschuldigter nicht mit der Polizei sprechen. Man ist nicht verpflichtet, eine Aussage zu machen. Weder als Beschuldigter, noch als Zeuge. Beides bleibt folgenlos, auch wenn die Behauptungen der Polizei oft andere sind. Als Beschuldigter muss man überhaupt nie etwas sagen und allenfalls eine ED-Behandlung über sich ergehen lassen (dazu später mehr); als Zeuge muss man nur vor dem Staatsanwalt und einem Gericht aussagen, aber eben nicht vor der Polizei. Weil auch die Polizei das weiß, wird gelegentlich zu anderen Mitteln gegriffen. Wenn man den Beschuldigten „überreden“ will, dieser aber abblockt, droht man ihm an, ihn am Arbeitsplatz oder der Schule aufzusuchen, um dort mit ihm zu reden. Weil einem der Besuch ungebetener Bekannter mitunter peinlich sein kann, knickt hier der ein oder andere ein. Wenn man die Drohung ernst nimmt: Ab zum Anwalt oder aber einfach zur Vernehmung erscheinen und dort standhaft schweigen.
Die Drohung mit Gewalt
Erst in der vergangenen Woche wieder erlebt: Die Androhung von Gewalt im Fall vom Nichterscheinen zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Nun ist es so, dass die Polizei in bestimmten Fallsituationen solche Maßnahmen ohne einen Beschluss des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft anordnen kann und sogar berechtigt ist, sogenannten „Zwang“ auszuüben. Die Ansage: „wenn Du morgen um 12 nicht freiwillig zu uns kommst, ziehen wir dich persönlich mit einer Acht auf dem Rücken aus deinem Elternhaus“ entspricht indes nicht so wirklich meiner Vorstellung einer verwaltungsbehördlichen Ansprache. Machtspielchen.
Was kann man tun?
Das Wichtigste: Schweigen. Egal, in welcher Situation man sich befindet – Schweigen ist Gold. Auch dann und gerade, wenn man sich für unschuldig hält. Die Polizei will den Beschuldigten überführen und nichts anderes. Sagt man aus, ist man auf Gedeih und Verderb dem ausgeliefert, was der Polizist in sein Vernehmungsprotokoll schreibt. Diese Aussage, meist im Tonfall des Polizisten verfasst, wird man nie wieder los. Besser ist es, eigene Angaben später, in Ruhe und überlegt abzugeben. So schützt man sich (und andere) vor übermäßigem Verfolgungseifer.
Bei erkennungsdienstlichen Behandlungen und Hausdurchsuchungen ist es nicht so ganz einfach. Bei der ED-Behandlung gibt es zwei Alternativen. Bei der ersten geht es der Polizei (vorgeblich) um die Aufdeckung einer bestimmten Straftat. Dann darf sie selber anordnen, wenn eine solche Behandlung notwendig sein soll. Hiergegen kann man sich in dem fraglichen Moment nicht wirklich zur Wehr setzen. Man sollte -abgesehen davon, dass man auch hier die gesamte Zeit zum Vorwurf schweigt- schon verlangen, dass die Staatsanwaltschaft die Maßnahme absegnet. Am Ende wird man aber die Maßnahme selbst ad hoc nicht verhindern können. Nach der Maßnahme kann man durch das Gericht überprüfen lassen, ob die Maßnahme rechtens war oder nicht. War sie es nicht, kommt eine Löschung in Betracht – ebenso, wenn später im Verfahren die Unschuld festgestellt wird. Eine Maßnahme kann durchaus unrechtmäßig sein, denn warum sogenannte szenekundige Beamte, deren Job es ist, die Fans der Fußballvereine, die sie betreuuen, namentlich und vom Aussehen her auswendig zu kennen, dann noch Fotos ihrer Klientel benötigen, um sie zu identifizieren, wird noch vor Gericht zu erörtern sein.
Ob dann am Ende des Tages die Daten wirklich gelöscht werden oder nicht, lässt sich leider nicht so ohne weiteres überprüfen. Man kann es glauben. Oder auch nicht.
Erkennungsdienstliche Behandlungen können aber auch nach einem Strafverfahren drohen. Und zwar zu dem Zweck, dass man als potentieller Straftäter zukünftiger Taten schon mal prophylaktisch seine Körperdaten an den Polizeipräsidenten abgibt, damit der einen später leichter ermitteln kann. In diesen Fällen, so ist jedenfalls meine Erfahrung, schauen die Verwaltungsgerichte im Sinne des Datenschutzes recht genau hin und lehnen die Erlaubnis zum Datensammeln ab. Hier heißt es also – der Aufforderung zur Vorladung nicht zu folgen, sondern Klage erheben. Welche Alternative der erkennungsdienstlichen Behandlung im Einzelfall vorliegt entscheidet also dann darüber, ob und wie man sich gegen sie zur Wehr setzen kann.
Bei Hausdurchsuchungen empfiehlt sich natürlich der Griff zum Telefon, um einen Anwalt seines Vertrauens zu erreichen oder, falls der gerade in einer anderen Hausdurchung steckt, Zeugen hinzuzuziehen. Wichtig ist, dass man der Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen in jedem Fall widerspricht. Hat man einmal sein Einverständnis erklärt, wird die Verteidigungsposition immer schlechter.
Das Allerwichtigste aber ist: Psssst!